Das Seitengänge reiten ist für viele Freizeitreiter ein Buch mit sieben Siegeln. Klingt nach Dressurprüfung, Noten und komplizierter Hilfengebung – oder? Erkennst du dich wieder? Dabei sind Schulterherein, Travers & Co. echte Gamechanger für dein tägliches Training. Sie helfen dir, dein Pferd besser zu gymnastizieren, sorgen für mehr Balance, fördern die Hinterhand und stärken die Kommunikation zwischen euch.
In diesem Beitrag zeige ich dir, was Seitengänge überhaupt sind, warum sie für jedes Pferd sinnvoll sind – ganz egal, ob Warmblut, Haflinger oder Tinker – und wie du sie in dein Reiten integrierst. Ganz ohne Druck. Im Dressurviereck, in der Springstunde oder beim Ausreiten.
Was sind Seitengänge überhaupt?
Bei den Seitengängen bewegt sich dein Pferd vorwärts-seitwärts und ist dabei gleichmäßig gebogen. Das so bekannte Schenkelweichen gehört deswegen nicht zu den Seitengängen. Beim Schenkelweichen bewegt sich dein Pferd zwar vorwärts-seitwärts, es ist allerdings nicht gebogen. Für die Seitengänge muss dein Pferd eine gewisse Versammlungsbereitschaft mitbringen, das bedeutet, die Bewegungen werden durch ein vermehrtes Untertreten der Hinterhand erhabener. Außerdem ist es wichtig, dass beim Reiten von Seitengängen der Takt und die Losgelassenheit erhalten bleiben. Dein Pferd wird also weder langsamer noch schneller beim Seitengänge reiten.
Warum Seitengänge reiten für jedes Pferd sinnvoll sind
Zu den Seitengängen gehören das Schulterherein, Travers, Renvers und die Traversalen. Das sind alles Lektionen, die im Turniersport erst ab der Klasse L/M verlangt sind und viele Reiter glauben, dass diese Lektionen deswegen für sie nicht wichtig sind. Du auch? Dann denkst du falsch! Denn nur weil diese Lektionen erst in den höheren Klassen der Dressur verlangt sind, heißt das nicht, dass du sie nicht brauchst. Schließlich möchtest auch du dein Pferd gesund gymnastizieren und reiten.
Seitengänge fördern die Losgelassenheit und aktivieren die Bauchmuskulatur. Deswegen ist es beispielsweise sinnvoll bereits beim Schrittreiten das Pferd immer wieder ein paar Schritte im Schulterherein zu reiten. Insbesondere in der Schrittphase zu Beginn deiner Trainingseinheit hat das auch einen starken psychischen Effekt. Du steigerst die Aufmerksamkeit deines Pferdes und bringst es in den Arbeitsmodus. Beim Seitengänge reiten aktivierst du außerdem die Hinterhand deines Pferdes und es tritt vermehrt unter. Du verbesserst die Koordination und das Gleichgewicht.
Praxistipp:
Um Seitengänge in die Schrittarbeit einfließen zu lassen, kannst du beispielsweise in der Ecke eine Volte reiten. Die Biegung aus der Volte nimmst du dann mit und reitest an der langen Seite ein paar Schritte im Schulterherein. Vergiss nicht die Lektion korrekt zu beenden, indem du die Vorhand mit deinem inneren Schenkel und dem äußeren Zügel wieder auf den Hufschlag bringst.
Seitengänge reiten im Überblick: Schulterherein, Travers, Renvers & Traversalen

1. Schulterherein: Die Basis der Seitengänge
Beim Schulterherein bewegt sich dein Pferd auf drei Hufschlägen. Die Hinterhand bleibt auf dem Hufschlag. Die Vorhand wird etwas nach innen geführt. Wenn du von vorne oder hinten auf dein Pferd schaust, dann siehst du drei Beine. Das äußere Hinterbein auf einer Hufschlaglinie, das innere Hinterbein und das äußere Vorderbein auf der mittleren Hufschlaglinie und das innere Vorderbein auf einer weiteren Linie. Dein Pferd biegt sich um deinen inneren Schenkel und bewegt sich dabei weiter vorwärts.
Praxistipp:
Erarbeite dir das Schulterherein zunächst am Boden. Wenn das klappt, dann übe vom Sattel aus. Suche dir einen Helfer, der vor oder hinter deinem Pferd steht und dir sagen kann, ob sich dein Pferd auf drei Hufschlägen bewegt.
2. Travers und Renvers: Für mehr Beweglichkeit und Kontrolle
Beim Travers bewegt sich dein Pferd auf vier Hufschlägen und ist dabei gestellt und gebogen. Das bedeutet, du siehst von hinten alle vier Beine. Die Vorhand bleibt auf dem Hufschlag und die Hinterhand wird in das Bahninnere hereingeführt. Beim Renvers ist es genau umgekehrt. Die Hinterhand bleibt auf dem Hufschlag und die Vorhand wird in das Bahninnere geführt.
Praxistipp:
Erarbeite dir beide Lektionen zunächst im Schritt vom Boden aus. Vom Sattel aus empfehle ich dir, das Travers aus einer Volte heraus einzuleiten. So hast du die Möglichkeit, die Biegung aus der Volte mitzunehmen. Auch hier vergiss nicht, die Lektion korrekt zu beenden, indem du die Hinterhand deines Pferdes auf den Hufschlag zurückführst. Für das Renvers kannst du an der langen Seite eine einfache Schlangenlinie einleiten. Wenn du dein Pferd umgestellt hast, kommt dein äußerer, vorwärts-seitwärts treibender Schenkel zum Einsatz und du reitest im Renvers weiter.
Travers und Renvers sind Lektionen, mit denen du an der Durchlässigkeit deines Pferdes arbeiten kannst. Gleichzeitig muss dein Pferd aber auch schon ein gewisses Maß an Durchlässigkeit mitbringen, damit die Lektionen gelingen. Nochmal zur Erinnerung: Die Durchlässigkeit beschreibt im Prinzip, wie gut dir dein Pferd zu hört, wie es deine Hilfen annimmt und umsetzt.
3. Traversalen: Der fließende Seitengang auf der Diagonalen
Die Traversale ist dann die Königsdisziplin der Seitengänge. Dein Pferd soll sich auf einer diagonalen Linie vorwärts-seitwärts bewegen. Dabei soll der Takt gleich und der Bewegungsfluss erhalten bleiben.
Hier darf ich ehrlich sein, der Weg zur Traversale ist für die meisten Freizeitreiter ein Weg, der nie gegangen wird, denn oft stimmt die Basis nicht. Bevor du dich an Traversalen wagst, muss dein Pferd Travers und Renvers sicher beherrschen. Die Voraussetzung dafür ist das Schulterherein. Als Reiter musst du das Zusammenspiel der Hilfen zu tausend Prozent verstanden haben. Du musst ausbalanciert und ruhig im Sattel sitzen, sodass du den Bewegungsablauf deines Pferdes zwar unterstützt, aber nicht störst.
Mit diesen Worten will ich dir die Traversalen aber auf gar keinen Fall ausreden. Im Gegenteil. Ich wünsche mir, dass viel mehr Reiter Schulterherein, Travers und Renvers in ihre Arbeit integrieren – vorausgesetzt natürlich die Basis stimmt.
Seitengänge reiten im Training: So baust du sie sinnvoll ein
Starte mit den Seitengängen immer vom Boden aus, und zwar mit dem Schulterherein. Führe dein Pferd durch eine Ecke, nimm die Längsbiegung mit und führe die Schulter ins Bahninnere, sodass das innere Hinterbein vermehrt untertreten muss. Wenn dir eins, zwei Schritte gut gelingen, dann lobe dein Pferd. Das ist für den Anfang völlig ausreichend.
Es kommt bei den Seitengängen nicht darauf an, wie oft dein Pferd das Schulterherein in einer Einheit gemacht hat. Du kannst 20x Schulterherein reiten, aber wenn die Schulter zu weit im Bahninneren ist und dein Pferd gar nicht untertritt, dann war es nicht effektiv. Bei den Seitengängen zählt die Qualität, nicht die Quantität.
Wenn du die Seitengänge reiten möchtest, dann starte ebenfalls mit dem Schulterherein aus einer Ecke oder Volte. Später kannst du die Lektion auf die Viertel- oder Mittellinie verlagern. Hier wird dann sehr genau sichtbar, wie gut du dein Pferd an deinen Hilfen hast.
Weitere Ideen findest du in dieser Infografik:

Fazit zum Seitengänge reiten: Dein Pferd kann das und du kannst das auch
Falls du schon mal gehört hast, dass du das mit deinem Pferd nicht kannst: Das ist Quatsch. Du wirst deinem Pferd aber nicht von heute auf morgen die Seitengänge beibringen. Das erfordert Zeit, Geduld und ein regelmäßiges Training. Und na klar gibt es Pferde, die es schneller und einfacher lernen. Und natürlich sieht ein Travers bei einem Haflinger deutlich weniger elegant aus als bei einem Warmblut. Aber das ist doch egal.
Es geht nicht darum, mit einem Schulterherein oder Travers den nächsten Pokal zu gewinnen. Du machst das für dich und dein Pferd. Seitengänge sind kein Selbstzweck, sondern eine effektive Möglichkeit, um Kraft, Gleichgewicht, Koordination und Biegung zu schulen und damit an der Durchlässigkeit zu arbeiten. Alles, was dein Pferd für seine Gesunderhaltung braucht. Und du willst doch, dass dein Pferd lange fit bleibt, oder?
Zum Weiterlesen:
Gymnastizierung leicht gemacht: So wird dein Pferd fit