Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd

17. September 2025 | Alltägliche Stories

Angst beim Reiten ist etwas, das viele Reiter erleben und oft nicht gerne zugeben. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Erst mit Anfang 30 bin ich in den Genuss meiner ersten Springstunden gekommen, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich mir – auf gut Deutsch und bildlich gesprochen – vor Angst in die Hose gemacht habe. Ich wollte es unbedingt lernen, aber es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass ich den falschen Trainer an der Hand hatte. Mein damaliger Trainer war der Meinung, dass ich bereit sein muss, zu sterben, wenn ich springen möchte. Heute weiß ich, dass das totaler Bullshit ist. Wenn ich am Samstag Springstunde hatte, dann schlief ich ab Mittwoch schlecht und spätestens Freitagmittag hatte ich bei allem, was ich tat, weiche Knie.

Dabei ist Angst ein völlig normaler Begleiter, wenn wir auf ein großes, lebendiges Tier steigen, das eigene Gedanken, Instinkte und manchmal auch Überraschungen parat hat. Die gute Nachricht: Angst lässt sich überwinden. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Denn ich wechselte zu einem Trainer, der mich und meine Angst ernst nahm, und vor allem konnte ich klar darüber reden. Schritt für Schritt wuchs mein Vertrauen in mein Pferd, aber vor allem in mich, und das Springen fing an, Spaß zu machen.

Mit Geduld, den richtigen Übungen, einem klaren Plan und einem Trainer, der dich ernst nimmt, kannst du lernen, angstfrei zu reiten und dich im Sattel wohlzufühlen.

In diesem Beitrag bekommst du erprobte Strategien, Hintergrundwissen und Mutmacher aus meinen Erfahrungen und meiner Arbeit im Aktivlernstall Pferdeglück, die dir helfen, mehr Vertrauen im Sattel zu entwickeln.

1. Angstfrei reiten beginnt im Kopf – wie deine Einstellung alles verändert

Oft ist es nicht die Angst an sich, die uns blockiert, sondern unsere Gedanken darüber. So erging es mir mit dem Springen. Ich wollte es lernen, aber in meinem Kopf hatte ich immer wieder Bilder, wie ich unpassend zu einem Sprung reite und dann herunterfalle. Wenn du beispielsweise schon beim Putzen denkst: „Hoffentlich erschrickt er nicht gleich“, dann bist du innerlich auf Gefahr programmiert. Dein Körper spannt sich an, deine Atmung wird flach und dein Pferd, ein hochsensibles Tier, spürt deine innere Anspannung sofort.

Bei mir im Aktivlernstall Pferdeglück starten wir daher jede Einheit bewusst mit den gleichen Abläufen: Wir holen das Pferd zum Putzen rein und dabei beobachten wir es. Wie guckt es? Wie ist das Ohrenspiel? Was will es uns sagen? Wie ist es heute drauf? Das sind auch Dinge, die ich mit den Kindern schon bespreche.

Praxistipp: 
Du, als Erwachsener, stellst dir zu Beginn ganz bewusst eine positive Situation vor. Zum Beispiel, wie du mit deinem Pferd einen entspannten Spaziergang im Gelände machst. Atme dabei tief ein und aus. Lächle. Dein Gehirn unterscheidet nicht zwischen realen Erlebnissen und intensiven Vorstellungen. Mit dieser mentalen Technik programmierst du dich auf Sicherheit statt auf Angst.

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2. Angst beim Reiten überwinden – akzeptieren statt wegdrücken

Der erste Schritt zu angstfreiem Reiten ist, deine Angst zu akzeptieren. Sie ist ein Warnsignal, das dich schützen will, und somit etwas ganz Natürliches. Dennoch schlägt sie manchmal zu stark aus.

Das Ziel ist, dieses sogenannte Warnsignal so fein einzustellen, dass es dich zwar warnt, aber nicht blockiert. Um dieses Ziel zu erreichen, starte mit kleinen, realistischen Zielen. Das kann beispielsweise sein:

  • Heute mache ich nur Bodenarbeit.
  • Morgen reite ich Schritt auf dem Reitplatz.
  • Übermorgen ein paar Meter Trab.
  • Dann traue ich mich für eine kleine Runde ins Gelände.

Freue dich über jeden Fortschritt, egal wie klein er ist. Reiten ist kein Wettbewerb und es geht nicht darum, dass du etwas schnell schaffst. Wenn du deine Angst überwinden möchtest, dann musst du Vertrauen aufbauen. Vor allem in dich selbst. Je öfter du etwas machst, umso stärker wird dein Vertrauen.

Praxistipp: 
Wenn dich beispielsweise der Gedanke ans Galoppieren nervös macht, dann streiche ihn vorerst aus deinem Kopf. Du musst nicht galoppieren, wenn du nicht bereit dazu bist. Konzentriere dich zunächst auf das Schrittreiten und Traben, bis dein Vertrauen so weit gewachsen ist und du für den Galopp bereit bist.

3. Vertrauen im Sattel beginnt am Boden

Pferde sind hochsensible Tiere, die sofort merken, wie deine Stimmung ist. Ich hatte damals wenig Vertrauen in mich, aber tatsächlich auch in mein Pferd. Ein Pferd in freier Natur würde niemals über einen Baumstamm springen, sondern immer daran vorbeigehen. Warum also sollte mein Pferd mit mir springen? Um unser gegenseitiges Vertrauen zu stärken, arbeitete ich viel vom Boden aus. In der Bodenarbeit lernst du, deinem Pferd ruhige und klare Anweisungen zu geben. Je besser das funktioniert, umso sicherer wirst du dich später auf ihm fühlen.

Die Bodenarbeit ist ein wichtiger Schlüssel, um deine Angst zu überwinden. Starte mit folgenden Übungen:

  • Anhalten auf Stimme und Körpersprache – gibt dir Kontrolle ohne Zwang
  • Führen über Stangen – schult Aufmerksamkeit und Vertrauen
  • Seitwärts weichen – stärkt die Kommunikation

Wenn dir die ersten Schritte in der Bodenarbeit gelingen, versuche dich an die Freiarbeit heranzutasten. Übe zunächst, dass dein Pferd dir folgt und du es auf ein Stimmsignal hin wieder anhalten kannst. Gelingt dir das? Dann hast du schon einen großen Schritt im Vertrauensaufbau geschafft.

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4. Was kannst du tun, wenn dein Pferd scheut oder unruhig wird?

Auch wenn es dir schwerfällt, das Wichtigste ist, die Ruhe zu bewahren. Atme tief in deinen Bauch hinein und wieder aus. Entspanne deine Schultern. Wende dein Pferd auf eine Volte ab oder halte es an und gib ihm die Zeit, das angstauslösende Hindernis zu betrachten. Für welche Methode du dich entscheiden solltest, ist abhängig von deinem Pferd. Einigen Pferden fällt es einfacher, wenn sie das „Schreckgespenst“ betrachten können, für andere ist es besser, wenn sie in Bewegung bleiben. Lass dich hier von deinem Trainer unterstützen.

Außerdem kannst du mit deinem Pferd ein gezieltes Gelassenheitstraining machen. Das wiederum fördert auch wieder euer gegenseitiges Vertrauen und zeigt dir auf, wie dein Pferd in bestimmten Situationen reagiert.

Hier ein paar Ideen für ein Gelassenheitstraining, wie ich es gerne mache:

  • Führe dein Pferd durch einen Flattervorhang.
  • Führe dein Pferd über eine Plane (ich nutze auch gerne solche Matten*).
  • Spanne einen Regenschirm auf.
  • Arbeite mit einem Klappersack (einfach leere Dosen in einer Mülltüte).

5. Wie verliere ich meine Angst nach einem Reitunfall?

Um deine Angst zu überwinden, brauchst du einen guten Trainer, Vertrauensaufbau, mentale Stärke, positive Erlebnisse und Zeit.

Folgender Fahrplan kann dir dabei helfen:

1. Suche dir einen Trainer, der dich und deine Angst ernst nimmt und mit dem du offen sprechen kannst.

2. Starte mit der Bodenarbeit, um wieder Vertrauen in dich selbst und dein Pferd aufzubauen. Später kannst du kleine Spaziergänge dazunehmen und das Gelassenheitstraining. Schaffe dir so viele positive Erlebnisse, aber überstürze auch nichts.

3. Wenn du so weit bist – und denk immer daran, dass du alle Zeit der Welt hast –, dann nimm wieder im Sattel Platz. Wenn es dir Sicherheit gibt, dann lass dich ruhig die ersten Runden führen.

4. Steigere langsam und nach deiner mentalen Situation die Reiteinheiten. Wenn es mal einen Schritt zurückgeht, dann ist das überhaupt nicht schlimm und zeigt eher, dass du in der Lage bist, deine eigenen Emotionen einzuschätzen.

5. Führe ein Erlebnistagebuch über deinen Weg zurück in den Sattel. Sei stolz auf jeden kleinen Schritt, den du gegangen bist und jede Hürde, die du überwunden hast.  

    Praxistipp: 
    Rufe dir immer wieder positive Erlebnisse ins Gedächtnis. Atme tief in den Bauch hinein und wieder aus, um dich zu entspannen. Vertraue dir selbst. Und lächle, denn Lachen entspannt.

    6. Praktische Alltagstipps für deine Sicherheit im Sattel

    In unserer Gesellschaft und insbesondere unter Reitern, wird Angst oft als Schwäche dargestellt. Angst ist keine Schwäche, sondern eine ganz normale Schutzreaktion deines Körpers.

    Hier kommen ein paar Alltagstipps für mehr Sicherheit im Sattel:

    • Reite nicht allein, wenn du unsicher bist.
    • Reite mit entsprechender Schutzausrüstung (neben dem Reithelm, kannst du auch eine Sicherheitsweste tragen).
    • Plane deine Reiteinheit (überlege dir im Vorfeld, was du heute machen möchtest und warum).
    • Suche dir einen ruhigen und verständnisvollen Trainer.
    • Absolviere vor dem Reiten gezielt Atemübungen (tiefes Ein- und Ausatmen, Bauchatmung).
    • Starte immer mit Bodenarbeit, bevor du in den Sattel steigst.
    • Schaffe viele positive Erlebnisse mit deinem Pferd.
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    Darüber hinaus solltest du auch einmal über folgende Punkte nachdenken:

    1. Stimmen die Haltungsbedingungen für dein Pferd? Hat dein Pferd soziale Kontakte? Bekommt es ausreichend Bewegung auf der Koppel?

    2. Beherrscht dein Pferd die Basics der Bodenarbeit? Kannst du es führen und jederzeit anhalten? Reagiert es auf deine Körpersprache?

    3. Passt du zu deinem Pferd?  

      Insbesondere der letzte Punkt wird in der Realität häufig zum Knackpunkt. Unerfahrene Reiter sitzen auf jungen und ebenfalls unerfahrenen Pferden. Das ist keine gute Kombination und Probleme sind vorprogrammiert.

      7. Wie kann ich langfristig angstfrei Reiten?

      Damit du langfristig angstfrei im Sattel sitzt, musst du deine Angst zunächst verstehen. Anschließend kannst du Schritt für Schritt daran arbeiten, viele positive Erlebnisse schaffen und somit dein Selbstvertrauen stärken.

      Reiten soll Spaß machen und die Zeit mit deinem Pferd zu einem Erlebnis werden. Deswegen ist es wichtig, dass du dir folgendes Gefühl aufbaust: Du hast Lust auf mehr. Das schaffst du, indem du in kleinen Schritten vorangehst und jede Einheit positiv beendest. Das bedeutet nicht, dass vorher alles perfekt gewesen sein muss, aber suche dir diesen einen Moment, der gut war, und nimm dieses Gefühl mit nach Hause.

      Damit du langfristig angstfrei reiten kannst, musst du Strategien entwickeln, damit dich deine Angst nicht blockiert oder gar handlungsunfähig macht. Dazu gehören: Vertrauen (in dich selbst), mentale Techniken (Atmen) und positive Gedanken (Ich kann das!).

      Fazit: Angstfrei reiten ist erlernbar

      Angstfrei reiten ist keine Zauberei. Aber es ist ein Weg, den du bereit sein musst zu gehen. Dieser Weg kann lang und steinig sein. Du brauchst Geduld, ein konsequentes Training mit dem richtigen Trainer, mentale Arbeit und viele kleine Erfolge.

      Trau dich, diesen Weg in deinem Tempo zu gehen.

      Für dich. Für dein Pferd.

      Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:
      1. Reiten lernen als Erwachsener – der entspannte Einstieg in den Sattel
      2. Sicherer Umgang mit Pferden – so wirst du zum Pferdemensch
      3. Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd
      4. Reitlehre einfach erklärt – die wichtigsten Grundlagen für Freizeitreiter (folgt)
      5. Der richtige Sitz beim Reiten – Balance statt Kraft (folgt)
      6. Hilfengebung verstehen – mit dem Pferd sprechen lernen (folgt)
      7. Schritt, Trab, Galopp – die Gangarten im Überblick (folgt)
      8. Pferdefreundlich reiten – geht das überhaupt als Anfänger? (folgt)
      9. Mit Struktur zum Ziel – der rote Faden in der Reitausbildung (folgt)
      10. Beziehung statt Dominanz – wie echte Verbindung entsteht (folgt)


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      Über den Autor

      Über den Autor

      Claudia ist die Gründerin von DAS Reitlernsystem, Trainerin (FN zertifiziert), Managerin im Pferdesport (IST) und Biologin (Diplom). Seit 2020 leitet sie den Aktivlernstall Pferdeglück in Schwerin. Faires Reiten, ein guter Sitz, eine korrekte Hilfengebung und ganz viel Abwechslung stehen in ihren Reitstunden im Mittelpunkt. Ihre Philosophie der systematischen und abwechslungsreichen Reitausbildung findet sich in DAS Reitlernsystem wieder – offline und online!

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