Reitlehre einfach erklärt: Die wichtigsten Grundlagen für Freizeitreiter

Reitlehre einfach erklärt: Die wichtigsten Grundlagen für Freizeitreiter

Reitlehre klingt für viele Freizeitreiter erstmal trocken und theoretisch. Das ist sie aber ganz und gar nicht. Sie ist das Fundament für jedes harmonische Miteinander von Reiter und Pferd. Wer sie versteht, reitet bewusster, feinfühliger und vor allem pferdegerechter.

Und genau darum geht es in diesem Beitrag: Ich möchte dir die Reitlehre einfach erklären, so, dass du sie verstehst, anwenden kannst und am Ende ein besseres Gefühl im Sattel bekommst.

1. Was ist die Reitlehre überhaupt – und warum ist sie wichtig?

In der Reitlehre geht es um die Ausbildungsskala des Pferdes, deinen Sitz und deine Hilfengebung. Die klassische Reitlehre geht auf das Jahr 1912 zurück (Heeres-Dienstvorschrift – kurz: H.Dv.12) und bildet bis heute die Grundlage für eine pferdegerechte Ausbildung, orientiert an den natürlichen und individuellen Bedürfnissen des Pferdes. Das Ziel ist ein ausbalanciertes, losgelassenes Pferd, das fein auf die Hilfen des Reiters reagiert.

Die Reitlehre verbindet Theorie und Praxis. Ohne Hintergrundwissen über die Ausbildungsskala, sowohl die des Pferdes als auch die des Reiters, bleiben viele Dinge im Reitunterricht unverständlich.

Zwei Beispiele aus der Praxis:

  • Wenn du nicht weißt, was Takt und Losgelassenheit bedeuten oder wie du sie erkennst, kannst du nicht nachvollziehen, warum sie die Basis der Ausbildungsskala bilden.
  • Wenn dir nicht klar ist, wie ein korrekter Reitersitz aussieht, wirst du Schwierigkeiten haben, losgelassen und ausbalanciert zu sitzen.

Dein Ziel sollte immer sein, der beste Reiter für dein Pferd zu werden. Mit einem ausbalancierten und geschmeidigen Sitz und mit einer feinen, fast unsichtbaren Hilfengebung. Für dein Pferd solltest du dich anfühlen wie ein gut gepackter Rucksack: stabil, aber nicht störend.

Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass die Reitlehre nur etwas für Turnierreiter sei. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade Freizeitreiter profitieren von diesem Wissen, weil sie dadurch sicherer, verständnisvoller und bewusster mit ihrem Pferd umgehen.

Und Memo an die Turnierreiter: Ihr dürft euch gerne auch mit der Reitlehre beschäftigen, denn dann sehen wir zukünftig hoffentlich etwas mehr korrekte gerittene Pferde und weniger Rumgezuppel an den Zügeln.

2. Wie funktioniert das Zusammenspiel von Reiter und Pferd?

Pferde sind Fluchttiere, Menschen Raubtiere – eigentlich keine ideale Kombination. Und doch gelingt es uns, mit ihnen eine vertrauensvolle Partnerschaft aufzubauen. Dafür braucht es vor allem Verständnis, Vertrauen und eine klare Kommunikation.

Diese beginnt am Boden und setzt sich im Sattel fort. Dort kommen deine Reiterhilfen ins Spiel:

Gewichtshilfen:

  • beidseitig belastend
  • einseitig belastend
  • entlastend

Schenkelhilfen:

  • vorwärtstreibend
  • vorwärts-seitwärtstreibend
  • verwahrend

Zügelhilfen:

  • nachgebend
  • annehmend
  • aushaltend
  • verwahrend
  • seitswärtsweisend

In meinen Reitstunden erlaube ich noch zwei weitere Hilfsmittel:

  • Stimme
  • Gerte

Den Einsatz von Sporen sehe ich bei Freizeitreitern kritisch. Sporen sollen die seitwärtstreibenden Hilfen verfeinern, werden aber häufig zum Treiben missbraucht. Wenn dein Pferd nicht ausreichend reagiert, liegt das selten an fehlenden Sporen, sondern meist daran, dass es an der Basis hapert.

Nur aus einem losgelassenen, ausbalancierten Sitz heraus kannst du fein einwirken. Dann schwingst du mit der Bewegung mit, statt sie zu stören und genau das ist die Essenz guten Reitens.

Praxistipp:
Arbeite so oft wie möglich im Alltag an Gleichgewicht, Körperspannung und Koordination. Ich mache das hier gerne mit den Kindern, aber auch als Erwachsener darfst du das unbedingt ausprobieren. Spiele Pferdchen. Trabe und galoppiere. Achte darauf im Takt zu sein.

Praxistipp:
Für das Gleichgewicht haben wir im Aktivlernstall Pferdeglück ein Balanceboard, welches wir alle – jung und alt – sehr gerne nutzen und uns manchmal auch gegenseitig challengen.

Reitlehre einfach erklärt

3. Die Ausbildungsskala des Pferdes – einfach erklärt für Freizeitreiter

Im Mittelpunkt der klassischen Reitlehre steht die Skala der Ausbildung. Sie gibt den roten Faden für die Ausbildung eines Pferdes vor und umfasst sechs Punkte, die sich gegenseitig beeinflussen.

Das sind folgende:

  • Takt: Gleichmaß aller Schritte, Tritte und Sprünge
  • Losgelassenheit: Rhythmisches An- und Abspannen der Muskulatur bei innerer Gelassenheit
  • Anlehnung: stetige und weiche Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul
  • Schwung: Übertragung des energischen Impulses aus der Hinterhand über den Rücken auf die Vorwärtsbewegung des Pferdes
  • Geraderichtung: gleichmäßiges Gymnastizieren beider Körperhälften zum Ausgleich der natürlichen Schiefe
  • Versammlung: Ausbalancieren auf kleiner Grundfläche mit energisch herangeschlossenen Hinterbeinen in Selbsthaltung

In den Richtlinien der FN ist die Skala der Ausbildung als Dreieck dargestellt. Dies suggeriert, dass während der Ausbildung die Punkte nacheinander abgearbeitet werden. Ich sehe die Skala der Ausbildung eher wie ein Haus mit Säulen. Alle Säulen tragen das Dach. Je besser sie entwickelt sind, umso tragfähiger sind sie. Wenn eine Säule noch nicht so tragfähig ist, dann ist das erstmal nicht so schlimm, denn die anderen Säulen halten das Dach trotzdem.

Reitlehre einfach erklärt

Und was bedeuten die einzelnen Punkte nun?

Dein Pferd bewegt sich in jeder Gangart in einem bestimmten Takt. Im Schritt ist es ein Viertakt, im Trab ein Zweitakt und im Galopp ein Dreitakt. Den Takt kannst du beim Reiten ganz einfach mitzählen. Im Schritt: 1-2-3-4 und wieder von vorne. Vom Leichttraben kennst du vielleicht das Zählen deines Trainers beim Leichttraben: 1-2-1-2 oder auch hoch-runter-hoch-runter. Hier spiegelt sich der Zweitakt wieder. Der Takt muss immer erhalten bleiben, aber sicher kennst du Situationen, in denen du den Takt störst. Beispielsweise weil du plötzlich zu viel am Zügel dran warst oder aus dem Gleichgewicht gekommen bist. Das ist nicht schlimm, aber deswegen ist es so wichtig, stetig an dir selbst zu arbeiten.

Die Losgelassenheit eines Pferdes beschreibt den Gemütszustand. Du kennst es sicher von dir selbst: Manchmal bist du aufgeregt vor der Reitstunde, weil vielleicht etwas Besonderes ansteht, und manchmal bist du die Ruhe selbst. Jemand anderes lässt sich niemals aus der Ruhe bringen, während eine weitere Person schon vor Schreck die Toilette aufsucht. Bei den Pferden ist das ähnlich und genauso individuell wie bei uns Reitern. Das gelassenste Pferd, kann sich plötzlich anspannen, weil heute der Wind besonders stark bläst. Und auch das mutigste Pferd kann plötzlich eine kleine Bewegung oder ein lautes Geräusch aus der Fassung bringen.

Praxistipp: Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es sehr viele Reitstunden gibt, an denen ich nur an Takt und Losgelassenheit arbeite. Wenn du merkst, dass heute so ein Tag ist, dann akzeptiere das und fokussiere dich ausschließlich darauf, dein Pferd zu lösen, anstatt krampfhaft an Lektionen mit einem nicht losgelassenen Pferd zu arbeiten. Und denke immer daran: Pferde sind auch nur Menschen.

Die Anlehnung wird häufig missverstanden mit Selbsthaltung und Aufrichtung. Die Anlehnung beschreibt in erster Linie die weiche Zügelverbindung. Wo die Nase des Pferdes ist und wie rund der Hals ist, ist erstmal zweitrangig. Später in der Ausbildung richtet sich dein Pferd von ganz alleine auf und trägt sich selbst. Wichtig dabei: Die Nase gehört vor die Senkrechte, das Genick ist der höchste Punkt, und wir erzwingen diese Haltung nicht mit unseren Händen!

An den weiteren Punkten Schwung, Geraderichtung und Versammlung wird ebenfalls von Beginn an gearbeitet. Der Schwung deines Pferdes kommt aus, der Hinterhand, wandert über den Rücken und resultiert in der Vorwärtsbewegung. Ob der Rücken deines Pferdes im Rhythmus schwingt oder nicht, merkst du daran, ob du gut zum Sitzen kommst. An der Geraderichtung arbeitest du, indem du regelmäßig die Hand wechselst und so beide Seiten gleichmäßig gymnastizierst. Bei den versammelnden Lektionen denken viele Reiter direkt an die hohen Dressurlektionen. Das ist ein Trugschluss, denn bereits jeder vernünftig gerittene Übergang von Gangart zu Gangart fördert die Versammlungsbereitschaft deines Pferdes.

Praxistipp:
Das Reiten von Übergängen ist unfassbar wertvoll für dein Pferd. Wenn du beispielsweise vom Trab zum Schritt durchparieren möchtest, dann denke nicht an ein „Bremsen“, sondern vielmehr daran, in den Schritt hineinzureiten, so dass der Schub aus der Hinterhand erhalten bleibt und die ersten Schritte gleich schreitend sind.

4. Die Ausbildungsskala des Reiters – einfach erklärt für Freizeitreiter

Eng verbunden mit der Ausbildungsskala des Pferdes ist der Ausbildungsweg, den du als Reiter durchläufst. Zu Beginn der Reitausbildung musst du zunächst dein Gleichgewicht und – ähnlich wie dein Pferd – deine Losgelassenheit finden. Du musst lernen, im Gleichgewicht und entspannt zu bleiben, wenn dein Pferd mal eine ungewöhnliche Bewegung macht oder sich selbst anspannt.

Diese beiden Punkte sind die Voraussetzung dafür, dass du aus deinem Sitz heraus mit der Bewegung deines Pferdes mitschwingen kannst. Wenn du dich zum Beispiel mit den Beinen am Sattel festklammerst, dann bist du nicht losgelassen. Außerdem überträgst du deine Anspannung unter Umständen auf das Pferd. Stell dir mal vor, du wärst das Pferd und auf deinem Rücken sitzt jemand, der seine Beine in deine Seiten drückt. Würdest du dich noch gerne bewegen wollen? Nein, würdest du nicht.

Sitz- und Hilfengebung kann man natürlich nicht komplett getrennt voneinander betrachten, aber dein Gleichgewicht, deine Losgelassenheit und deine Fähigkeit, mit der Bewegung mitzuschwingen, sind eine fundamentale Voraussetzung für die Hilfengebung. Aus einem guten Sitz heraus, wirst du in der Lage sein, für dein Pferd verständliche Hilfen zu geben. Eine Reiterhilfe steht dabei niemals allein, sondern wirkt immer mit anderen Hilfen zusammen. Du gibst also nicht eine Schenkelhilfe und machst sonst nichts. Du willst zum Beispiel antraben: Deine Gewichtshilfen werden entlastend, deine Schenkelhilfen treiben das Pferd vorwärts, gepaart mit einer nachgebenden Zügelhilfe. Hier wird klar, wie komplex das Reiten ist, und es ist völlig normal, dass ein Reitanfänger das nicht von Anfang an alles umsetzen kann. Es wird aber einfacher, wenn du in der Theorie schon mal verstanden hast, worum es eigentlich geht.

Praxistipp:
Setze dich so auf einen Stuhl, als würdest du auf dem Pferd sitzen. Stelle dir eine Hufschlagfigur oder Lektion vor, die du reiten möchtest. Überlege dir dann, welche Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen zum Einsatz kommen.

Reitlehre einfach erklärt

5. Reitlehre einfach erklärt: Was bedeutet Losgelassenheit und wie erkenne ich sie?

Die Losgelassenheit ist eine wichtige Grundlage beim Reiten. Deswegen findest du sie sowohl in der Skala der Ausbildung des Pferdes als auch in deinem eigenen Ausbildungsweg wieder. Dein Pferd muss losgelassen sein. Du musst losgelassen sein.

Losgelassenheit bedeutet Entspannung. Körperlich, aber auch mental. Ein Pferd, welches viel Zeit in der Box verbringt und wenig Kontakt zu Artgenossen hat, bringt per se schlechte Voraussetzungen für die mentale Losgelassenheit mit. Ein Reiter, der viel Stress in seinem Alltag hat, ebenso. Deswegen ist es so wichtig, auf gute Haltungsbedingungen zu achten sowie auf die eigene mentale Gesundheit.

So erkennst du ein losgelassenes Pferd:

  • Zufriedener Gesichtsausdruck (wache Augen, Ohrenspiel, entspannte Lippen)
  • Gleichmäßige Atmung
  • Abschnauben
  • Annehmen der Reiterhilfen
  • Natürliche Vorwärtsbewegung
  • Schwingender Rücken
  • Pendelnder Schweif
  • Entspannte Halsmuskulatur
  • Taktreinheit

So erkennst du einen losgelassenen Reiter:

  • Zufriedener Gesichtsausdruck (wache Augen, entspannte Lippen)
  • Gleichmäßige Atmung (tiefe Bauchatmung)
  • Ausbalancierter Sitz
  • Eingehen in die Bewegung des Pferdes
  • Positive Körperspannung (ohne Anspannung)
  • Gefühlvoller Einsatz der Reiterhilfen (vor allem keine störende Reiterhand)
Reitlehre einfach erklärt

Jetzt stellt sich dir vermutlich die Frage, wie sich ein losgelassenes Pferd für dich als Reiter anfühlt. Die Antwort ist simpel: Es muss sich gut anfühlen. Es muss sich leicht anfühlen. Und es muss Spaß machen.

Dein Pferd ist vermutlich nicht losgelassen, wenn:

  • du nicht gut zum Sitzen kommst
  • dein Pferd dich immer wieder aus dem Gleichgewicht bringt (zum Beispiel durch Taktfehler)
  • du jeden Trabtritt und jeden Galoppsprung mühsam erarbeiten musst
  • die Übergänge nicht flüssig sind
  • dein Pferd keine Dehnungshaltung annimmt

Praxistipp:
Jedes Pferd ist individuell und es gibt nicht ein Rezept für alle Pferde, um die Losgelassenheit zu erreichen. Finde heraus, welche lösenden Übungen für dein Pferd am besten sind. Neben den klassischen lösenden Übungen kann das zum Beispiel auch ein Spaziergang ins Gelände zu Beginn der Trainingseinheit sein, Hand- oder Stangenarbeit.

6. Reitlehre einfach erklärt: Wie finde ich den richtigen Sitz und mein Gleichgewicht?

In meinen Reitstunden erkläre ich immer wieder: Der Reiter muss immer so auf dem Pferd sitzen, dass man das Pferd unter ihm herausziehen könnte und er nicht umkippt. Von starren Sitzmustern, so wie ich sie noch gelernt habe, halte ich mittlerweile nichts mehr, denn jeder Körper ist individuell zu betrachten. Dennoch gibt es eine Sitzgrundlage, die du beachten musst, sonst ist eine gute Hilfengebung nicht möglich.

So sieht ein guter Reitersitz aus:

  • Reiter sitzt aufrecht im Sattel, wobei der Oberkörper an der Senkrechten ist
  • Beine liegen am Sattel bzw. Pferdebauch an
  • Absätze bilden den tiefsten Punkt
  • Oberarme hängen locker herab
  • Unterarme sind angewinkelt
  • Hände sind geschlossen, der Daumen bildet das Dach
  • Blick ist nach vorne gerichtet
  • Becken ist locker und lässt die Bewegungen zu
Reitlehre einfach erklärt

Kämpfst du auch mit hochgezogenen Absätzen? Dann stell dir mal vor, man zieht das Pferd unter dir heraus. Du würdest dein Gleichgewicht verlieren. Noch dazu kommt, dass dir die positive Spannung in der Wade verloren geht, wenn du die Absätze hochziehst. Diese wiederum benötigst du für eine korrekte Schenkelhilfe.

Den Reitersitz erlernst du auf dem Pferd. Zunächst geführt und dann an der Longe, denn so hast du die Möglichkeit, dich komplett auf deinen Sitz zu konzentrieren. Dabei solltest du auch immer wieder unterschiedliche Sitzpositionen einnehmen. Damit schulst du nicht nur dein Gefühl, sondern auch dein Gleichgewicht.

Praxistipp:
Um deinen Reitersitz und dein Gleichgewicht zu schulen, kannst du deine Sitzposition immer wieder verändern. Du kannst zum Beispiel die Bügellänge verändern oder die Lage deines Oberkörpers. Im Trab kannst du zwischen Aussitzen, Leichttraben und dem leichten Sitz wechseln. Um die Bewegungen deines Pferdes noch besser zu spüren, kannst du auch mal komplett ohne Sattel oder mit einem Reitpad reiten.

Weitere Übungen, die dein Gleichgewicht fördern und die du ganz einfach in den Alltag integrieren kannst:

  • Auf einem Bein stehen (beim Zähneputzen, beim Haarekämmen)
  • Auf den Fersen gehen
  • Auf den Zehenspitzen gehen
  • Reitersitz einnehmen (ohne Pferd), dabei die Haltung des Oberkörpers und die Beugung der Knie variieren
  • Standwaage

7. Reitlehre einfach erklärt: Was bedeutet „das Pferd an die Hilfen stellen“?

Ein Pferd an den Hilfen zu haben, ist das Ergebnis von einem losgelassenen und ausbalancierten Reitersitz sowie einem losgelassenen Pferd. In jeder Trainingseinheit startest du mit der sogenannten Lösungsphase. Das Ziel dabei ist, ein willig vorwärtsgehendes Pferd, welches auf deinen Sitz und deine Hilfen fein reagiert.

Wenn du beispielsweise angaloppieren möchtest und ein leichter Impuls am Schenkel reicht. Oder wenn du durchparieren möchtest und ein tiefes Einsitzen in den Sattel dein Pferd in die langsamere Gangart bringt, wobei der Schub aus der Hinterhand erhalten bleibt.

Auch hier gilt wieder: Wenn es sich fein und leicht anfühlt, dann ist es richtig.

Hier noch ein paar Übungen, die helfen können, dein Pferd an die Hilfen zu stellen:

  • Übergänge von Gangart zu Gangart
  • Handwechsel
  • Korrektes Durchreiten der Ecken
  • Schenkelweichen
  • Rückwärtsrichten

8. Reitlehre im Alltag Schritt für Schritt umsetzen

Jetzt hast du vermutlich festgestellt, wie komplex die Reitlehre ist und wie stark alles ineinandergreift. Und vielleicht fragst du dich an dieser Stelle, wie du das alles in deinem Alltag umsetzen sollst.

Die Antwort ist einfach: Schritt für Schritt.

In meinen Reitstunden korrigiere ich niemals alles auf einmal, denn das könnte der Reiter gar nicht umsetzen. Ich empfehle dir, dort anzufangen, wo sich die größte Baustelle zeigt. Wenn du beispielsweise ein mangelndes Gleichgewicht hast, dann putze deine Zähne ab sofort auf einem Bein stehend, und zwischendurch das Bein mal wechseln. Wenn ein festes Becken dein Problem ist und du so nicht richtig mit der Pferdebewegung mitgehen kannst, dann stelle dir ein paar Übungen zusammen, die du ohne Pferd in deinen Alltag integrieren kannst.

Beim Reiten verhält es sich genauso. Du kannst nicht alles auf einmal ändern, aber du kannst für jede Trainingseinheit einen Schwerpunkt festlegen. Zum Beispiel: Heute möchte ich an den Schritt-Trab Übergängen arbeiten. Oder: Heute möchte ich an der Dehnungshaltung meines Pferdes arbeiten.

Praxistipp:
Ich empfehle dir außerdem das Schreiben eines Trainingstagebuchs, denn so machst du deine Fortschritte sichtbar. Das kann ein einfacher Kalender sein, in den du schreibst, woran du heute gearbeitet hast und wie es geklappt hat.

Fazit: Reitlehre einfach erklärt: Dein Schlüssel zu mehr Gefühl im Sattel

Die Reitlehre ist kein trockenes Lehrbuchwissen, sondern die Sprache zwischen dir und deinem Pferd. Je besser du sie verstehst, desto feiner kannst du kommunizieren – mit deinem Sitz, deiner Hand und deinem Gefühl.

Erwarte nicht, dass du alles sofort umsetzen kannst. Es ist ein Prozess, der manchmal langsam und frustrierend ist, aber auf jeden Fall lehrreich. Bleib neugierig, hinterfrage, probiere aus und feiere jeden kleinen Fortschritt.

Denn am Ende geht es nicht darum, schnell perfekt zu reiten.

Es geht darum, mit deinem Pferd gemeinsam zu wachsen.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:
1. Reiten lernen als Erwachsener – der entspannte Einstieg in den Sattel
2. Sicherer Umgang mit Pferden – so wirst du zum Pferdemensch
3. Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd
4. Reitlehre einfach erklärt – die wichtigsten Grundlagen für Freizeitreiter
5. Der richtige Sitz beim Reiten – Balance statt Kraft (folgt)
6. Hilfengebung verstehen – mit dem Pferd sprechen lernen (folgt)
7. Schritt, Trab, Galopp – die Gangarten im Überblick (folgt)
8. Pferdefreundlich reiten – geht das überhaupt als Anfänger? (folgt)
9. Mit Struktur zum Ziel – der rote Faden in der Reitausbildung (folgt)
10. Beziehung statt Dominanz – wie echte Verbindung entsteht (folgt)

Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd

Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd

Angst beim Reiten ist etwas, das viele Reiter erleben und oft nicht gerne zugeben. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Erst mit Anfang 30 bin ich in den Genuss meiner ersten Springstunden gekommen, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich mir – auf gut Deutsch und bildlich gesprochen – vor Angst in die Hose gemacht habe. Ich wollte es unbedingt lernen, aber es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass ich den falschen Trainer an der Hand hatte. Mein damaliger Trainer war der Meinung, dass ich bereit sein muss, zu sterben, wenn ich springen möchte. Heute weiß ich, dass das totaler Bullshit ist. Wenn ich am Samstag Springstunde hatte, dann schlief ich ab Mittwoch schlecht und spätestens Freitagmittag hatte ich bei allem, was ich tat, weiche Knie.

Dabei ist Angst ein völlig normaler Begleiter, wenn wir auf ein großes, lebendiges Tier steigen, das eigene Gedanken, Instinkte und manchmal auch Überraschungen parat hat. Die gute Nachricht: Angst lässt sich überwinden. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Denn ich wechselte zu einem Trainer, der mich und meine Angst ernst nahm, und vor allem konnte ich klar darüber reden. Schritt für Schritt wuchs mein Vertrauen in mein Pferd, aber vor allem in mich, und das Springen fing an, Spaß zu machen.

Mit Geduld, den richtigen Übungen, einem klaren Plan und einem Trainer, der dich ernst nimmt, kannst du lernen, angstfrei zu reiten und dich im Sattel wohlzufühlen.

In diesem Beitrag bekommst du erprobte Strategien, Hintergrundwissen und Mutmacher aus meinen Erfahrungen und meiner Arbeit im Aktivlernstall Pferdeglück, die dir helfen, mehr Vertrauen im Sattel zu entwickeln.

1. Angstfrei reiten beginnt im Kopf – wie deine Einstellung alles verändert

Oft ist es nicht die Angst an sich, die uns blockiert, sondern unsere Gedanken darüber. So erging es mir mit dem Springen. Ich wollte es lernen, aber in meinem Kopf hatte ich immer wieder Bilder, wie ich unpassend zu einem Sprung reite und dann herunterfalle. Wenn du beispielsweise schon beim Putzen denkst: „Hoffentlich erschrickt er nicht gleich“, dann bist du innerlich auf Gefahr programmiert. Dein Körper spannt sich an, deine Atmung wird flach und dein Pferd, ein hochsensibles Tier, spürt deine innere Anspannung sofort.

Bei mir im Aktivlernstall Pferdeglück starten wir daher jede Einheit bewusst mit den gleichen Abläufen: Wir holen das Pferd zum Putzen rein und dabei beobachten wir es. Wie guckt es? Wie ist das Ohrenspiel? Was will es uns sagen? Wie ist es heute drauf? Das sind auch Dinge, die ich mit den Kindern schon bespreche.

Praxistipp: 
Du, als Erwachsener, stellst dir zu Beginn ganz bewusst eine positive Situation vor. Zum Beispiel, wie du mit deinem Pferd einen entspannten Spaziergang im Gelände machst. Atme dabei tief ein und aus. Lächle. Dein Gehirn unterscheidet nicht zwischen realen Erlebnissen und intensiven Vorstellungen. Mit dieser mentalen Technik programmierst du dich auf Sicherheit statt auf Angst.

angstfrei reiten

2. Angst beim Reiten überwinden – akzeptieren statt wegdrücken

Der erste Schritt zu angstfreiem Reiten ist, deine Angst zu akzeptieren. Sie ist ein Warnsignal, das dich schützen will, und somit etwas ganz Natürliches. Dennoch schlägt sie manchmal zu stark aus.

Das Ziel ist, dieses sogenannte Warnsignal so fein einzustellen, dass es dich zwar warnt, aber nicht blockiert. Um dieses Ziel zu erreichen, starte mit kleinen, realistischen Zielen. Das kann beispielsweise sein:

  • Heute mache ich nur Bodenarbeit.
  • Morgen reite ich Schritt auf dem Reitplatz.
  • Übermorgen ein paar Meter Trab.
  • Dann traue ich mich für eine kleine Runde ins Gelände.

Freue dich über jeden Fortschritt, egal wie klein er ist. Reiten ist kein Wettbewerb und es geht nicht darum, dass du etwas schnell schaffst. Wenn du deine Angst überwinden möchtest, dann musst du Vertrauen aufbauen. Vor allem in dich selbst. Je öfter du etwas machst, umso stärker wird dein Vertrauen.

Praxistipp: 
Wenn dich beispielsweise der Gedanke ans Galoppieren nervös macht, dann streiche ihn vorerst aus deinem Kopf. Du musst nicht galoppieren, wenn du nicht bereit dazu bist. Konzentriere dich zunächst auf das Schrittreiten und Traben, bis dein Vertrauen so weit gewachsen ist und du für den Galopp bereit bist.

3. Vertrauen im Sattel beginnt am Boden

Pferde sind hochsensible Tiere, die sofort merken, wie deine Stimmung ist. Ich hatte damals wenig Vertrauen in mich, aber tatsächlich auch in mein Pferd. Ein Pferd in freier Natur würde niemals über einen Baumstamm springen, sondern immer daran vorbeigehen. Warum also sollte mein Pferd mit mir springen? Um unser gegenseitiges Vertrauen zu stärken, arbeitete ich viel vom Boden aus. In der Bodenarbeit lernst du, deinem Pferd ruhige und klare Anweisungen zu geben. Je besser das funktioniert, umso sicherer wirst du dich später auf ihm fühlen.

Die Bodenarbeit ist ein wichtiger Schlüssel, um deine Angst zu überwinden. Starte mit folgenden Übungen:

  • Anhalten auf Stimme und Körpersprache – gibt dir Kontrolle ohne Zwang
  • Führen über Stangen – schult Aufmerksamkeit und Vertrauen
  • Seitwärts weichen – stärkt die Kommunikation

Wenn dir die ersten Schritte in der Bodenarbeit gelingen, versuche dich an die Freiarbeit heranzutasten. Übe zunächst, dass dein Pferd dir folgt und du es auf ein Stimmsignal hin wieder anhalten kannst. Gelingt dir das? Dann hast du schon einen großen Schritt im Vertrauensaufbau geschafft.

angstfrei reiten

4. Was kannst du tun, wenn dein Pferd scheut oder unruhig wird?

Auch wenn es dir schwerfällt, das Wichtigste ist, die Ruhe zu bewahren. Atme tief in deinen Bauch hinein und wieder aus. Entspanne deine Schultern. Wende dein Pferd auf eine Volte ab oder halte es an und gib ihm die Zeit, das angstauslösende Hindernis zu betrachten. Für welche Methode du dich entscheiden solltest, ist abhängig von deinem Pferd. Einigen Pferden fällt es einfacher, wenn sie das „Schreckgespenst“ betrachten können, für andere ist es besser, wenn sie in Bewegung bleiben. Lass dich hier von deinem Trainer unterstützen.

Außerdem kannst du mit deinem Pferd ein gezieltes Gelassenheitstraining machen. Das wiederum fördert auch wieder euer gegenseitiges Vertrauen und zeigt dir auf, wie dein Pferd in bestimmten Situationen reagiert.

Hier ein paar Ideen für ein Gelassenheitstraining, wie ich es gerne mache:

  • Führe dein Pferd durch einen Flattervorhang.
  • Führe dein Pferd über eine Plane (ich nutze auch gerne solche Matten*).
  • Spanne einen Regenschirm auf.
  • Arbeite mit einem Klappersack (einfach leere Dosen in einer Mülltüte).

5. Wie verliere ich meine Angst nach einem Reitunfall?

Um deine Angst zu überwinden, brauchst du einen guten Trainer, Vertrauensaufbau, mentale Stärke, positive Erlebnisse und Zeit.

Folgender Fahrplan kann dir dabei helfen:

1. Suche dir einen Trainer, der dich und deine Angst ernst nimmt und mit dem du offen sprechen kannst.

2. Starte mit der Bodenarbeit, um wieder Vertrauen in dich selbst und dein Pferd aufzubauen. Später kannst du kleine Spaziergänge dazunehmen und das Gelassenheitstraining. Schaffe dir so viele positive Erlebnisse, aber überstürze auch nichts.

3. Wenn du so weit bist – und denk immer daran, dass du alle Zeit der Welt hast –, dann nimm wieder im Sattel Platz. Wenn es dir Sicherheit gibt, dann lass dich ruhig die ersten Runden führen.

4. Steigere langsam und nach deiner mentalen Situation die Reiteinheiten. Wenn es mal einen Schritt zurückgeht, dann ist das überhaupt nicht schlimm und zeigt eher, dass du in der Lage bist, deine eigenen Emotionen einzuschätzen.

5. Führe ein Erlebnistagebuch über deinen Weg zurück in den Sattel. Sei stolz auf jeden kleinen Schritt, den du gegangen bist und jede Hürde, die du überwunden hast.  

Praxistipp: 
Rufe dir immer wieder positive Erlebnisse ins Gedächtnis. Atme tief in den Bauch hinein und wieder aus, um dich zu entspannen. Vertraue dir selbst. Und lächle, denn Lachen entspannt.

6. Praktische Alltagstipps für deine Sicherheit im Sattel

In unserer Gesellschaft und insbesondere unter Reitern, wird Angst oft als Schwäche dargestellt. Angst ist keine Schwäche, sondern eine ganz normale Schutzreaktion deines Körpers.

Hier kommen ein paar Alltagstipps für mehr Sicherheit im Sattel:

  • Reite nicht allein, wenn du unsicher bist.
  • Reite mit entsprechender Schutzausrüstung (neben dem Reithelm, kannst du auch eine Sicherheitsweste tragen).
  • Plane deine Reiteinheit (überlege dir im Vorfeld, was du heute machen möchtest und warum).
  • Suche dir einen ruhigen und verständnisvollen Trainer.
  • Absolviere vor dem Reiten gezielt Atemübungen (tiefes Ein- und Ausatmen, Bauchatmung).
  • Starte immer mit Bodenarbeit, bevor du in den Sattel steigst.
  • Schaffe viele positive Erlebnisse mit deinem Pferd.
angstfrei reiten

Darüber hinaus solltest du auch einmal über folgende Punkte nachdenken:

1. Stimmen die Haltungsbedingungen für dein Pferd? Hat dein Pferd soziale Kontakte? Bekommt es ausreichend Bewegung auf der Koppel?

2. Beherrscht dein Pferd die Basics der Bodenarbeit? Kannst du es führen und jederzeit anhalten? Reagiert es auf deine Körpersprache?

3. Passt du zu deinem Pferd?  

Insbesondere der letzte Punkt wird in der Realität häufig zum Knackpunkt. Unerfahrene Reiter sitzen auf jungen und ebenfalls unerfahrenen Pferden. Das ist keine gute Kombination und Probleme sind vorprogrammiert.

7. Wie kann ich langfristig angstfrei Reiten?

Damit du langfristig angstfrei im Sattel sitzt, musst du deine Angst zunächst verstehen. Anschließend kannst du Schritt für Schritt daran arbeiten, viele positive Erlebnisse schaffen und somit dein Selbstvertrauen stärken.

Reiten soll Spaß machen und die Zeit mit deinem Pferd zu einem Erlebnis werden. Deswegen ist es wichtig, dass du dir folgendes Gefühl aufbaust: Du hast Lust auf mehr. Das schaffst du, indem du in kleinen Schritten vorangehst und jede Einheit positiv beendest. Das bedeutet nicht, dass vorher alles perfekt gewesen sein muss, aber suche dir diesen einen Moment, der gut war, und nimm dieses Gefühl mit nach Hause.

Damit du langfristig angstfrei reiten kannst, musst du Strategien entwickeln, damit dich deine Angst nicht blockiert oder gar handlungsunfähig macht. Dazu gehören: Vertrauen (in dich selbst), mentale Techniken (Atmen) und positive Gedanken (Ich kann das!).

Fazit: Angstfrei reiten ist erlernbar

Angstfrei reiten ist keine Zauberei. Aber es ist ein Weg, den du bereit sein musst zu gehen. Dieser Weg kann lang und steinig sein. Du brauchst Geduld, ein konsequentes Training mit dem richtigen Trainer, mentale Arbeit und viele kleine Erfolge.

Trau dich, diesen Weg in deinem Tempo zu gehen.

Für dich. Für dein Pferd.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:
1. Reiten lernen als Erwachsener – der entspannte Einstieg in den Sattel
2. Sicherer Umgang mit Pferden – so wirst du zum Pferdemensch
3. Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd
4. Reitlehre einfach erklärt – die wichtigsten Grundlagen für Freizeitreiter
5. Der richtige Sitz beim Reiten – Balance statt Kraft (folgt)
6. Hilfengebung verstehen – mit dem Pferd sprechen lernen (folgt)
7. Schritt, Trab, Galopp – die Gangarten im Überblick (folgt)
8. Pferdefreundlich reiten – geht das überhaupt als Anfänger? (folgt)
9. Mit Struktur zum Ziel – der rote Faden in der Reitausbildung (folgt)
10. Beziehung statt Dominanz – wie echte Verbindung entsteht (folgt)


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Sicherer Umgang mit Pferden – so wirst du zum Pferdemensch

Sicherer Umgang mit Pferden – so wirst du zum Pferdemensch

Im ersten Beitrag dieser Artikelserie habe ich dir empfohlen, nicht mit einer Reitstunde, sondern mit einer Bodenarbeitsstunde zu starten. Sollte wider Erwarten deine erste Einheit doch eine Reitstunde sein, dann ist das nicht weiter schlimm. Der erste Kontakt mit dem Pferd erfolgt trotzdem am Boden. Denn du musst dein Pferd unter Umständen von der Weide holen, putzen und satteln.

Dabei ist ein sicherer Umgang mit dem Pferd keineswegs selbstverständlich. Pferde sind große, sensible Tiere mit einem sehr feinen Gespür für deine Stimmung. Als Reitanfänger trittst du dem Pferd vermutlich eher unsicher und zurückhaltend gegenüber. Das ist zunächst vollkommen in Ordnung. Mit der Zeit wirst du lernen, selbstsicher, ruhig und konsequent aufzutreten. Genauso wie du lernen wirst, welche Sprache die Pferde sprechen, wie du mit deiner Körpersprache agieren kannst und wie ihr daraus eine gemeinsame Sprache entwickelt.

Keiner wird als Pferdemensch geboren. Ich auch nicht. All mein Wissen habe ich mir über viele Jahre angeeignet, und das Lernen hört nie auf. Den ersten Schritt, nämlich zu lernen, wie du sicher mit einem Pferd umgehst, hast du bereits gemacht. Denn du liest gerade diesen Blogbeitrag. In diesem Artikel erfährst du, wie du die Pferde besser verstehst, typische Anfängerfehler vermeidest und wie du den Grundstein für ein faires Miteinander legst, ohne den Chef heraushängen zu lassen.

Sicherheit beginnt mit Wissen – das Verhalten des Pferdes verstehen

Ein sicherer Umgang mit Pferden beginnt nicht mit irgendeiner anspruchsvollen Technik, die du auswendig lernen kannst, sondern mit dem Verstehen der Pferde. Wenn du verstanden hast, was Pferde für Tiere sind und warum sie wie reagieren, kannst du anfangen, mit ihnen zu kommunizieren. Dieses Verständnis ist am Ende des Tages die Grundlage für mehr Sicherheit im Umgang mit den Pferden.

Statistisch gesehen passieren die meisten Unfälle zwar tatsächlich bei Stürzen vom Pferd, aber das Problem ist ja Folgendes: Wenn du das Pferd als Wesen nicht verstanden hast, dann bleibt bei dir Unsicherheit zurück und diese trägst du später mit in den Sattel.

Pferde sind Herdentiere, Fluchttiere und Steppentiere. Das bedeutet, sie leben seit Jahrtausenden zusammen mit Artgenossen und mit dem Instinkt, zu fliehen, wenn eine Gefahr droht. Heutzutage leben unsere Pferde nicht mehr in der Steppe und müssen nicht mehr vor Raubtieren fliehen, aber der Fluchtreflex ist immer noch tief verankert. Rasche Bewegungen, laute Geräusche, eine offene Jacke beim Reiten, die im Wind weht oder auch ein Reiter, der unklare Anweisungen gibt, können auf Pferde bedrohlich wirken. Je ruhiger und vorhersehbarer du dich verhältst, umso sicher wird sich dein Pferd in deiner Nähe fühlen.

Praxistipp:
Mit ruhig verhalten, meine ich natürlich nicht, dass du auf Zehenspitzen gehen und nur flüstern sollst. Vermeide aber hektische Bewegungen oder das laute Schreien über die Stallgasse – wie man es ja doch immer wieder hört.

Noch kurz zum Thema Steppentier: Früher sind die Pferde den ganzen Tag durch die Steppen gelaufen und waren auf Nahrungssuche. Für die heutige Haltung unserer Pferde bedeutet dies, dass das Hauptnahrungsmittel Heu ist (und nicht wie oft geglaubt Gras) und dass Pferde Bewegung brauchen (und zwar nicht nur durch eine Stunde reiten am Tag). Wir brauchen uns also nicht wundern, wenn Pferde im Winter plötzlich über den Reitplatz bocken, wenn ihnen keine Auslaufmöglichkeit geboten wird.

sicherer Umgang mit Pferden

Für einen sicheren Umgang mit Pferden musst du die Sprache der Pferde verstehen

Pferde sprechen mit ihrem Körper und umgekehrt reagieren sie auf deine Körpersprache. Wenn du in der Lage bist, die Signale, die ein Pferd sendet, zu verstehen, dann kannst du Stresssituationen erkennen und vermeiden.

Achte immer auf das Ohrenspiel deines Pferdes. Zeigen die Ohren nach vorne, dann ist das Pferd aufmerksam. Zeigen sie seitlich, entspannt das Pferd. Legt das Pferd die Ohren nach hinten, dann kann das drohend gemeint sein, aber auch Unsicherheit ausdrücken. Ob ein Pferd nun droht oder gerade unsicher ist, muss dann aus der Situation heraus bewertet werden.

Die Augen eines Pferdes sind klar und aufmerksam. Beim Putzen sind sie manchmal auch nur halbgeöffnet, weil das Pferd döst und das Putzen genießt. Ein Pferd kann die Augen aber auch weit aufreißen. Dann hat es meisten etwas gesehen, was du selbst vielleicht noch gar nicht entdeckt hast.

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Signale, die das Pferd dir über seine Körpersprache mitteilen kann. Eine hängende Unterlippe zum Beispiel drückt absolute Zufriedenheit aus. Ein Pferd, welches ständig mit seinem Schweif schlägt, zeigt eine Abwehrreaktion – oder es vertreibt lästige Fliegen.

Praxistipp:
Ich empfehle dir, so viele Pferde wie möglich zu beobachten. Achte immer auf die Umgebung, die Ohren und die Augen. Je öfter du das machst, umso besser wirst du die Sprache der Pferde verstehen.

Pferde sind hochsensible Wesen. Sie merken, wie es dir geht und wie deine Stimmung ist. Ohne, dass du etwas sagst. Bist du nervös und hektisch, dann überträgt sich das. Bist du ruhig und gelassen, dann gibt das deinem Pferd Sicherheit. Das zeigt sich später auch beim Reiten. Wenn du beispielsweise im Sattel plötzlich nervös wirst, weil etwas nicht klappt, dann wird sich das auf dein Pferd übertragen. In dem Fall ist es immer besser, einen Schritt zurückzugehen, tief durchzuatmen und nochmal von vorne zu beginnen.

Praxistipp:
Die Arbeit mit Pferden ist immer auch eine Reise zu dir selbst. Wenn du ein hektischer Mensch bist, dann wirst du lernen, Ruhe auszustrahlen. Wenn du ein eher zurückhaltender Mensch bist, dann wirst du lernen, selbstbewusster und entschlossen aufzutreten.

sicherer Umgang mit Pferden

Klar & fair: Deine Rolle als verlässlicher Partner

Ein sicherer Umgang mit Pferden hängt nicht nur davon ab, was du tust, sondern vor allem, wie du etwas tust. Pferde sind Herdentiere, das bedeutet, sie leben von Natur aus mit anderen Pferden zusammen. In einer Herde gibt es immer einen Herdenchef. Das muss nicht zwangsläufig, das älteste oder größte Pferd sein. Bei mir im Aktivlernstall Pferdeglück leben zehn Pferde von Großpferd bis Pony und von jung bis alt in Offenstallhaltung. Der Herdenchef ist ein Haflinger mittleren Alters, der seine Herde in der Vergangenheit immer beschützt hat, wenn beispielsweise ein neues Pferd eingezogen ist. In seiner Position als Herdenchef ist er aber immer sehr fair den anderen gegenüber. Tritte mit den Hufen oder Beißen sieht man eher selten.

Was ich damit sagen will: Pferde benötigen eine Führung. Im Herdenverband regeln die Pferde das untereinander, aber in der Reiter-Pferd-Konstellation bist du dafür verantwortlich. Du bist dafür zuständig, Entscheidungen zu treffen und – ganz wichtig – dabei fair zu bleiben. So gibst du deinem Pferd Sicherheit.

Praxistipp:
Wenn du die Möglichkeit hast, dann beobachte Pferde auch mal auf der Weide oder im Offenstall. Wer hat hier welche Rolle? Wie gehen die Pferde miteinander um? Durch das Beobachten kannst du sehr viel über das Verhalten der Pferde lernen.

Vielleicht hast du auch schon mal gehört, dass du deinem Pferd gegenüber der Chef sein musst. Zweifelsohne hast du eine Führungsposition. Pferde suchen diese Führung, denn als Flucht- und Herdentier streben sie nach Sicherheit. Pferde fühlen sich gut aufgehoben, wenn sie wissen, dass du weißt, was du willst und warum du etwas tust. An dieser Stelle kannst du dir mal vorstellen, wie du dir deinen eigenen Chef wünschen würdest. Sicherlich wünschst du dir einen Chef, der klare Anweisungen gibt, dabei aber fair ist. Genau das wünscht sich auch dein Pferd. Du sollst dein Pferd nicht dominieren oder gar anschreien, aber du darfst ruhig und bestimmt auftreten, klare Signale geben und vorausschauend handeln.

Es wird Situationen geben, in denen du nervös bist, das Pferd nicht so reagiert, wie du es wolltest, oder Missverständnisse entstehen. Das ist ganz normal. Entscheidend ist, wie du damit umgehst. Deinem Pferd gegenüber fair zu bleiben bedeutet, das Verhalten des Pferdes einordnen zu können, nicht aus persönlichen Emotionen heraus zu handeln und immer ruhig zu bleiben, auch wenn es mal brenzlig wird.

Pferde orientieren sich nicht an der Lautstärke deiner Stimme, sondern an der Klarheit deines Auftretens. Wenn du ruhig, fair und konsequent bist, wirst du für dein Pferd ein verlässlicher Partner – und genau das macht dich sicher im Umgang.

Die wichtigsten Grundlagen für einen sicheren Umgang mit Pferden

Viele Unfälle im Stall passieren nicht durch „gefährliche“ Pferde, sondern durch unklare Abläufe, mangelnde Erfahrung oder unnötige Hektik. Wenn du den Alltag mit dem Pferd ruhig, klar und strukturiert gestaltest, schafft das Sicherheit und Vertrauen für dich und das Pferd. Lass uns in diesem Abschnitt mal einen Blick auf die wichtigsten Grundlagen für einen sicheren Umgang mit dem Pferd werfen.

1. Schritt für Schritt: vom ersten Annähern bis zum Führen

Der sichere Umgang mit dem Pferd beginnt bereits beim ersten Kontakt. Bei mir im Offenstall haben wir häufig die Situation, dass die Pferde an der Heuraufe und mit dem Hinterteil zu uns stehen. Wenn wir nun direkt von hinten an das Pferd herangehen, dann kann es uns nicht sehen. Pferde haben ihre Augen zwar seitlich am Kopf und dadurch ein viel größeres Sichtfeld als wir Menschen, aber was hinter ihnen und direkt vor ihnen passiert, sehen sie nicht. Geh deswegen immer von der Seite auf das Pferd zu und sprich es an.

Im nächsten Schritt möchtest du dem Pferd ein Halfter anlegen. Bei meinen Reitkindern im Aktivlernstall Pferdeglück habe ich häufig die Situation, dass die Kinder sich direkt vor das Pferd stellen und das Halfter von vorne über den Kopf ziehen. Das ist kein gutes Vorgehen. Wie gerade beschrieben, durch die seitliche Lage der Augen am Pferdekopf, sehen die Pferde nicht, was unmittelbar vor ihnen passiert. Im Zweifel kann das dazu führen, dass das Pferd den Kopf hochreißt und dich dabei unglücklich trifft. Um das Pferd sicher aufzuhalftern, stellst du dich seitlich an die Schulter des Pferdes, hältst mit der rechten Hand den Pferdekopf, wobei die rechte Hand auf der Nase liegt, schiebst dann zunächst die Nase in das Halfter und anschließend das Halfter über die Ohren. Zuletzt wird der Haken am Halfter geschlossen, wobei der kleine Pin gerne nach außen zeigen darf.

sicherer Umgang mit Pferden

Nun bist du bereit, um dein Pferd zum Putzplatz zu führen. Gehe dabei nicht einfach nur neben dem Pferd, sondern führe es bewusst und selbstsicher. Am Ende des Tages ist es nämlich ein großer Unterschied, ob du einfach nur neben dem Pferd gehst oder es leitest. Du führst dein Pferd, indem du auf Schulterhöhe neben ihm gehst. Laufe nicht direkt vor dem Pferd, denn dann besteht die Gefahr, dass es bei einem Erschrecken in dich hineinläuft.

2. Anbinden, Putzen und Hufe auskratzen

Du glaubst gar nicht, wie viele Unfälle es schon am Putzplatz gegeben hat und wie viele abenteuerliche Putzplätze ich schon gesehen habe. Ein Putzplatz muss aus Sicherheitsgründen zunächst einmal aufgeräumt sein. Besen, Mistgabeln oder anderes Equipment haben dort nichts verloren. Ein Pferd kann immer mal einen Schritt vor oder zurück machen. Kommt es dabei mit den Hufen gegeben herumstehende Sachen, hat es sich schnell erschrocken.

Binde dein Pferd mit dem sogenannten Pferdeknoten an. Das ist ein Sicherheitsknoten, den du im Falle einer Gefahr schnell wieder lösen kannst. Ein Pferd muss immer so angebunden sein, dass es seinen Kopf frei bewegen kann.

Achte beim Putzen auf deutliche, aber ruhige Bewegungen und eigne dir eine Putzroutine an. Pferde lieben Routinen, denn das schafft Sicherheit und Vertrauen. Starte mit Striegel und Kardätsche am Hals und arbeite über den Rücken und Bauch bis zum Po nach hinten. Sei am Bauch zunächst etwas vorsichtig, denn es gibt Pferde, die das als unangenehm empfinden. Anschließend säuberst du mit einer Wurzelbürste die Beine und mit einer kleinen weichen Kopfbürste den Kopf. Dabei stehst du auch wieder seitlich und achtest darauf, nicht in die Augen zu bürsten. Dann kämmst du Mähne und Schweif und säuberst die Hufe. Die Hufe geben und auskratzen, erfordert etwas Übung. Sei dabei geduldig mit dir selbst und scheue dich nicht am Anfang, um Hilfe zu bitten.

Praxistipp:
Das Ziel des Putzens ist nicht nur ein sauberes Pferd. Das Putzen ist der erste intensivere Kontakt zwischen dir und dem Pferd. Finde heraus, ob es Stellen gibt, an denen dein Pferd besonders gerne gestriegelt wird. Oder auch, was es nicht so gerne mag.

3. Gefahrenquellen erkennen und vermeiden

Es gibt dutzende Risiken, die im Stallalltag entstehen können, vor allem für dich als Reitanfänger. Klassische Beispiele sind: enge Stallgassen, herumliegende Stricke und Halfter, auf der Stallgasse stehende Mistgabeln oder Besen, auf dem Boden liegende Schnüre von Heu- oder Strohballen oder herumstehende Futterschüsseln.

In der Theorie muss alles ordentlich aufgeräumt sein, in der Praxis sieht das anders aus. Und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede und selbst als erfahrener Pferdemensch, wird man manchmal betriebsblind.

Ich empfehle dir, immer aufmerksam zu sein, um potenzielle Gefahren zu erkennen und dementsprechend vorausschauend zu handeln.

Was dich zum Pferdemenschen macht – Haltung statt Technik

In den meisten Sportarten spielt die Technik eine große Rolle. Beim Schwimmen beispielsweise ist es für das Vorwärtskommen von großer Bedeutung, wie du deine Arme und Beine bewegst. Natürlich brauchst du auch beim Reiten eine gewisse Technik, aber das ist nicht alles.

Wenn du ein richtiger Pferdemensch werden willst, dann benötigst du auch viel Feingefühl und eine klare Haltung. Die Pferde werden dir vertrauen, wenn du ruhig und aufmerksam bist. Ein Pferd interessiert sich am Ende des Tages nicht dafür, von welchem Hersteller deine Reithose ist oder welche Farbe die Schabracke unter dem Sattel hat. Ein Pferd spürt aber, ob du wirklich da bist. Ebenso spürt ein Pferd auch, wenn du mit deinen Gedanken noch bei deinem letzten Kundengespräch bist. Ein Pferd benötigt einen fokussierten und präsenten Menschen.

Das bedeutet:

  • kein Multitasking, sondern im Hier und Jetzt
  • kein lautes Auftreten, sondern klar
  • kein dominantes Auftreten, sondern fair
sicherer Umgang mit Pferden

Telefonieren und Pferd holen. Das muss nicht sein!

Viele Menschen versuchen hektisch, alles richtigzumachen. Pferde reagieren darauf oft mit Verunsicherung. Wenn du aber Ruhe ausstrahlst – auch in unübersichtlichen Momenten – gibst du deinem Pferd Sicherheit. Das bedeutet nicht, dass du keine Emotionen haben darfst, aber du darfst lernen, dich nicht zu sehr von ihnen leiten zu lassen.

Ein Pferdemensch zu sein hat nichts mit Erfahrung oder Talent zu tun – sondern mit Haltung, Achtsamkeit und dem Willen, dem Pferd wirklich zuzuhören.

Was du tun kannst, wenn du dich im Umgang mit dem Pferd unsicher fühlst

Am Anfang ist es ganz normal, dass du dich im Umgang mit den Pferden unsicher fühlst. Pferde sind groß. Pferde sind stark. Und Pferde sind sensibel. Das kann dich als Reitanfänger schnell überfordern. Ich sage meinen Reitschülern immer wieder: Angst vor Pferden zu haben ist nicht so gut, aber Respekt und Unsicherheit sind völlig in Ordnung. Denn Letzteres ist ein Zeichen von Achtsamkeit und das wiederum ist ein guter Ausgangspunkt, um dazuzulernen.

Viele Erwachsene versuchen, ihre Unsicherheit zu überspielen. Vielleicht erkennst du dich hier sogar wieder? Doch glaub mir, Pferde merken das sofort und reagieren darauf – meist werden sie ebenfalls unsicher. Sprich deine Unsicherheit offen an. Ein guter Trainer nimmt dich ernst und hilft dir dabei, sicherer im Umgang mit den Pferden zu werden.

Konkrete Wege, um deine Sicherheit zu stärken:

  • Hol die Unterstützung (ein erfahrener Pferdemensch an deiner Seite macht einen großen Unterschied)
  • Übe gezielt den Umgang mit den Pferden vom Boden aus (Führen, Anhalten)
  • Arbeite an deiner Körpersprache (aufrechter Gang, positives Auftreten)
  • Arbeite an deiner mentalen Stärke

Unsicherheit ist kein Grund, aufzugeben – sondern der beste Anlass, dich weiterzuentwickeln. Du musst nicht mutig sein, um mit Pferden zu arbeiten, aber du darfst lernen, dich mutig zu verhalten.

Fazit: Sicherer Umgang mit Pferden – dein Weg zum feinen Miteinander

Ein sicherer Umgang mit Pferden ist keine Frage von Kraft, Alter oder Erfahrung – sondern von Aufmerksamkeit, Haltung und Beziehung. Pferde brauchen keine perfekten Menschen. Sie brauchen Menschen, die klar, ruhig und präsent sind. Menschen, die bereit sind, zu beobachten, zu lernen und Verantwortung zu übernehmen.

Du musst nicht alles sofort können. Du darfst Fehler machen, Fragen stellen und Unsicherheiten zulassen. Der Schlüssel liegt darin, dranzubleiben, zu reflektieren und dir Schritt für Schritt mehr Wissen und Sicherheit anzueignen.

Denn am Ende ist Sicherheit nicht nur ein Zustand – es ist ein Gefühl, das zwischen dir und dem Pferd entsteht. Und je mehr du diesen Weg gehst, desto mehr wirst du selbst zum Pferdemenschen: mit Herz, Verstand und Fairness.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:
1. Reiten lernen als Erwachsener – der entspannte Einstieg in den Sattel
2. Sicherer Umgang mit Pferden – so wirst du zum Pferdemensch
3. Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd
4. Reitlehre einfach erklärt – die wichtigsten Grundlagen für Freizeitreiter
5. Der richtige Sitz beim Reiten – Balance statt Kraft (folgt)
6. Hilfengebung verstehen – mit dem Pferd sprechen lernen (folgt)
7. Schritt, Trab, Galopp – die Gangarten im Überblick (folgt)
8. Pferdefreundlich reiten – geht das überhaupt als Anfänger? (folgt)
9. Mit Struktur zum Ziel – der rote Faden in der Reitausbildung (folgt)
10. Beziehung statt Dominanz – wie echte Verbindung entsteht (folgt)

Reiten lernen als Erwachsener – der entspannte Einstieg in den Sattel

Reiten lernen als Erwachsener – der entspannte Einstieg in den Sattel

Für viele ist es ein langgehegter Traum aus Kindertagen: einmal auf einem Pferd sitzen, die Bewegung spüren, mit einem Tier auf Augenhöhe kommunizieren. Doch oft rückt dieser Wunsch über die Jahre in den Hintergrund – bis er im Erwachsenenalter plötzlich wieder auflebt. Reiten lernen als Erwachsener ist längst kein ungewöhnliches Vorhaben mehr, sondern für viele ein bewusster Schritt hin zu mehr Natur, Gelassenheit und Selbstfürsorge.

Und trotzdem: Der Einstieg kann Fragen und Unsicherheiten aufwerfen. Bin ich zu alt? Kann ich das überhaupt noch lernen? Was erwartet mich? In diesem Artikel erfährst du, worauf es beim Reiten lernen für Erwachsene wirklich ankommt – ganz ohne Leistungsdruck, aber mit viel Freude und Klarheit. Du bekommst praktische Tipps, lernst typische Stolperfallen kennen und wirst sehen: Es ist nie zu spät, einen Kindheitstraum zu verwirklichen.

Reiten lernen als Erwachsener – warum es nie zu spät ist

Der Gedanke, im Erwachsenenalter noch einmal ganz neu anzufangen, kann einschüchternd wirken – besonders bei einem Thema wie Reiten. Immerhin sitzt du auf einem Lebewesen, welches groß und im Zweifel auch stärker ist als du. Als Erwachsener denkst du viel eher, was ist, wenn ich herunterfalle und mich ernsthaft verletze? Was passiert dann mit meinem Job? Wer kümmert sich um Haushalt und Kinder? Das Thema Angst spielt beim Reiten lernen im Erwachsenenalter häufig eine Rolle.

Doch genau darin liegt auch eine große Stärke. Erwachsene lernen oft bewusster, mit mehr Ruhe, Geduld und Zielstrebigkeit. Sie hinterfragen Zusammenhänge häufig viel intensiver und sind bereit, sich theoretische Grundlagen anzueignen, während Kinder hingegen häufig nur wenig Motivation haben, sich ein Buch zu nehmen, um beispielsweise die Hilfengebung nachzulesen.

Viele Erwachsene bringen außerdem Eigenschaften mit, die für das Reiten besonders wertvoll sind. Dazu zählen Verantwortungsbewusstsein, Empathie und ein echtes Interesse am Wohlergehen des Pferdes. Statt sich wie Kinder manchmal übermütig in den Sattel zu werfen, gehen sie achtsamer und überlegter vor. Du glaubst gar nicht, wie oft ich bei mir in der Reitschule Kinder wieder absteigen lasse, weil sie auf den Pferderücken geplumpst sind. Ich erkläre den Kids dann immer, dass wir zu Gast auf dem Pferderücken sind und uns auch dementsprechend verhalten dürfen.

Reiten ist außerdem eine der wenigen Sportarten, die du auch noch gut im Erwachsenenalter beginnen kannst. Es spielt keine Rolle, ob du 30, 40 oder 50 Jahre alt bist. Beim Reiten kommt es viel mehr auf das Gleichgewicht und das Körpergefühl an. Bei deinen ersten Reitstunden wird sich nicht alles gut und richtig anfühlen, aber das ist völlig normal. Wichtig ist, dass du Freude mit dem Pferd hast und bereit bist, dazuzulernen, auch wenn es mal unbequem wird. Das Reiten lernen als Erwachsener kann eine der erfüllendsten Erfahrungen deines Lebens sein. Auch wenn es Reitsport heißt, geht es nicht um sportliche Höchstleistungen, sondern um die Verbindung zu den Pferden, Vertrauen und Lebensfreude.

Praxistipp: 
Statt direkt auf dem Pferd zu sitzen, ist es für viele Erwachsene einfacher, das Pferd und die Kommunikation mit dem Pferd zunächst vom Boden aus kennenzulernen. Starte mit dem ausgiebigen Putzen des Pferdes und einer Bodenarbeitsstunde. Eine gute Reitschule sollte so etwas heutzutage anbieten.

Was Erwachsene zum Reiten lernen wirklich brauchen

Wenn du Reiten lernen möchtest, dann möchtest du vermutlich nicht nur im Sattel sitzen, sondern auch das gesamte Drumherum erlernen. Du möchtest verstehen, was du tust und warum. Nun ist Reiten lernen allerdings sehr komplex, und das wirst du spätestens in der ersten Reitstunde auch merken. Neben dem Drang, sich Wissen anzueignen, was ja erstmal gut ist, neigen Erwachsene aber auch dazu, Dinge zu zerdenken. Beim Reiten lernen spielt das Körpergefühl eine große Rolle.

Praxistipp: 
Für deine ersten Reitstunden empfehle ich dir, den Kopf auszuschalten. Fühle. Fühle, wie sich das Pferd bewegt. Fühle, wie sich dein Körper bewegt. Dafür darfst du gerne auch mal die Augen schließen.

Für den Start benötigst du einen passenden Reithelm, denn Sicherheit steht immer an erster Stelle. Ich rate dir dringend dazu, dir einen Reithelm neu zu kaufen. Der Grund dafür ist nicht, weil ich möchte, dass du den Einzelhandel unterstützt, sondern dass bei gebrauchten Helmen nie weißt, was denen schon widerfahren ist. Ein Helm kann von außen gut aussehen, aber innen können sogenannte Haarrisse vorhanden sein, die deinen Kopf im Zweifel nicht mehr richtig schützen.

Zum Weiterlesen: 
Die meisten von uns reiten mit Helm. Ist das eine trügerische Sicherheit?

Du brauchst bequeme und wetterangepasste Kleidung, in der du dich gut bewegen kannst. Das kann anfangs auch eine Leggings sein. Von Jeans rate ich dir ab, da die Nähte unangenehm scheuern können. Frauen empfehle ich außerdem einen gut sitzenden Sport-BH, glaub mir, du wirst ihn brauchen.

Zusätzlich benötigst du feste und geschlossene Schuhe. Für den Anfang genügen einfache Trekkingschuhe mit nicht allzu dicker Sohle. Wenn deine ersten Reitstunden um sind und du weitermachen möchtest, dann empfehle ich dir die Investition in Stiefeletten und Reitchaps. Es muss ja nicht gleich das kostspielige Modell sein, aber bitte beides zusammen, denn nur mit Stiefeletten kann es passieren, dass du dich im Steigbügel verfängst. Und das wiederum kann bei einem Sturz fatale Folgen haben.

Praxistipp: 
Als Erstes investierst du in einen Reithelm. Dann in Reitschuhe und Reitchaps. Erst danach werden Dinge wie Reithose oder Reithandschuhe gekauft.

Neben diesen materiellen Dingen, die deine Reitausrüstung betreffen, musst du Geduld und Ausdauer mitbringen, denn wie sagt man so schön? Ein Leben reicht nicht aus, um Reiten zu lernen. Natürlich sollst du jetzt auch nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, aber sei dir bewusst, dass es eine Zeit dauern wird, bis du mit einem Pferd allein losreiten kannst – und zwar nicht nur als Beifahrer. Aber ich schwöre dir, wenn der Tag kommt, dann steigst du mit einem fetten Grinsen vom Pferd und bist der glücklichste Mensch auf Erden.

Reiten lernen erwachsene

So findest du die passende Reitschule

Jetzt kommen wir zu dem wahrscheinlich schwierigsten Aspekt, nämlich der Suche nach dem passenden Reitstall. Ich will ehrlich sein, das wird für dich vermutlich die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, denn du möchtest weder in einer Kinderreitschule landen noch in einer Reitschule, wo es nur um Druck, Leistung und Massenabfertigung geht.

Du solltest dir eine Reitschule suchen, in der das Wohl der Pferde im Vordergrund steht. Dazu gehört die artgerechte Haltung, der respektvolle Umgang und ein abwechslungsreiches Pferdetraining. Die Trainer sollten verständnisvoll auf deine Bedürfnisse eingehen und dich vielseitig unterrichten. Zu einer vielseitigen Ausbildung gehört nicht nur das Reiten, sondern auch Boden-, Longen- oder Freiarbeit. Doch wie erkennst du, ob eine Reitschule zu dir passt?

Worauf du achten solltest:

1. Gesprächskultur: Fühlst du dich als Anfänger ernst genommen? Werden deine Fragen freundlich beantwortet? Herrscht ein angenehmer Umgangston untereinander?

2. Reiten lernen für Erwachsene: Gibt es Angebote speziell für erwachsene Reitanfänger? Wie sehen diese aus? Gehört das Vorbereiten des Pferdes dazu?

3. Pferdehaltung: Wie werden die Pferde gehalten? Bei Boxenhaltung: Haben die Pferde genug Auslauf auf Paddocks und Weiden? Sind sie im Herdenverband? Wirken die Pferde ruhig und ausgeglichen?

4. Trainer: Sprechen sie in einer klaren, wertschätzenden Sprache? Erklären sie, warum etwas so gemacht wird und nicht nur wie?

5. (Reit)stunden: Sind die Stunden abwechslungsreich gestaltet und systematisch aufgebaut? Gibt es Raum für Fragen und Wiederholungen? Siehst du viele Pferde, die ausgebunden sind? Gehören Gerte und Sporen zur Standardausstattung?

6. Digitalisierung: Ist die Reitschule auch per E-Mail oder WhatsApp erreichbar? Gibt es einen Internetauftritt?

Ich empfehle dir, die Reitschule deiner Wahl auch mal unangekündigt zu besuchen. Versuche, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Schau beim Training zu. Das heißt jetzt natürlich nicht, dass du wie ein Eindringling auf dem Gelände der Reitschule herumlaufen sollst. Wenn du angekommen bist, melde dich bei jemandem an, sag, wer du bist, warum du da bist und dass du einfach nur mal zuschauen möchtest. In einer Reitschule, die nichts zu verbergen hat, sollte das in Ordnung sein.

Außerdem möchte ich dir ans Herz legen, auf den Umgang mit den Pferden zu achten. Denn leider gibt es unzählige Reitschulen, in denen die Lehrpferde – ja, ich mag den Begriff Schulpferde überhaupt nicht – nicht gut behandelt werden. Hinweise können beispielsweise sein:

1. Stumpfes Fell: Das ist immer ein Zeichen, dass irgendwas nicht stimmt. Gesunde Pferde haben ein glänzendes Fell.

2. Schlechte Hufe: Traurig, aber wahr, denn am Hufschmied wird gerne gespart.

3. Alle Pferde sind ausgebunden: Ausbinder sind Hilfszügel, die den Pferdekopf in eine bestimmte Position ziehen. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Hilfszügel, aber wenn alle Pferde, welche haben, dann scheint das ein Standard-Ausrüstungsgegenstand zu sein.

4. Viele Reiter mit Sporen: Auch hier bin ich nicht generell gegen Sporen. Aber Sporen sind nicht zum Treiben da und haben an den Füßen von Anfängern nichts zu suchen.

Natürlich ist mir bewusst, dass es für dich als Anfänger nahezu unmöglich ist, vieles zu beurteilen. Hör auf dein Bauchgefühl!

Angstfrei reiten lernen – mentale Hürden für Erwachsene überwinden

Für dich als erwachsene Person bringt das Reiten lernen eine besondere Herausforderung mit sich: Du wirst lernen müssen, mentale Hürden zu überwinden. Erwachsene sind häufig vorsichtiger und bedachter als Kinder. Trotz des großen Wunsches, Reiten zu lernen, haben sie oft Ängste und Selbstzweifel. Ich persönlich kann das total nachvollziehen, denn so ein Pferd ist ja doch ein verdammt großes Tier und – seien wir ehrlich – keiner von uns fällt gerne herunter. Selbstzweifel oder auch Angst lassen sich nicht abstellen, aber du kannst lernen, sie zu steuern.

Ich war letztens auf einem Seminar und sollte ein paar Hindernisse mit meinem Pferd überwinden. Ja, ich kann springen, aber es ist eine halbe Ewigkeit her, dass ich das letzte Mal gesprungen bin. Ich bin den ersten Sprung angeritten und habe mir auch sagen müssen: Okay, Claudia, Atmen! Du kannst das! Mit diesen Worten in meinem Kopf habe ich mich mental auf den Sprung vor mir vorbereitet und genauso kannst du dich auch auf deine erste Reitstunde vorbereiten.

Ängste oder Selbstzweifel sind völlig normale und sagen am Ende des Tages nichts über deine Eignung zum Reiten lernen aus. Wir als Erwachsene haben eine größere Lebenserfahrung, sind uns unserer Grenzen bewusst und diese macht uns bedachter und vorsichtiger. Wir sind uns sehr wohl den Risiken bewusst. Vielleicht hast du sogar schon negative Erfahrungen gemacht, die dich geprägt haben. All das muss kein Hindernis sein. Ein guter Trainer sollte deine Ängste ernst nehmen und mit dir zusammen daran arbeiten.

Praxistipp: 
Nimm dir vor deiner Reitstunde ganz bewusst 5 Minuten Zeit für dich. Atme tief in den Bauch ein und wieder aus. Frage dich, wie es dir heute geht und was du dir für deine heutige Stunde wünschst. Freust du dich auf die heutige Reitstunde? Wenn du dir unsicher bist, dann bitte deinen Trainer um eine Bodenarbeitsstunde. Das ist kein Rückschritt, sondern ein Zeichen von Verantwortung und guter Selbsteinschätzung.

Vergiss nie, dass Reiten lernen kein Wettbewerb ist. Du darfst langsam lernen. Du darfst Fehler machen. Du darfst um Wiederholungen bitten. Und das Wichtigste: Du darfst stolz sein auf deine Fortschritte – egal ob diese klein oder groß sind.

Praxistipp: 
Lege dir ein kleines Notizbuch zu. In dieses schreibst du nach jeder Reitstunde, was du heute gelernt hast. Besondere Momente oder Meilensteine notierst du in einer anderen Farbe. Glaub mir, das motiviert!

Reiten lernen beginnt am Boden: Der erste Kontakt mit dem Pferd

Wie ich oben schon erwähnt habe, solltest du dir eine Reitschule suchen, die auch Bodenarbeit anbietet. Erwachsene sollten meiner Meinung nach nicht einfach auf ein Pferd gesetzt werden, sondern immer mit einer Bodenarbeitsstunde starten. Und davor natürlich das Pferd putzen, wobei dir dein Trainer an der Seite stehen und dir erklären sollte, wie du ein Pferd richtig putzt.

Dieser erste Kontakt mit dem Pferd im Rahmen einer Bodenarbeitsstunde ist die Basis für eine vertrauensvolle Beziehung. Du lernst, deine Körpersprache einzusetzen und bekommst ein erstes Verständnis für die Bedürfnisse des Pferdes. Dieser sanfte Einstieg in das Reiten lernen ist goldwert. Beim Putzen, Führen und Beobachten des Pferdes lernst du die Sprache der Pferde kennen. Achte auf das Ohrenspiel. Die Augen. Die Bewegungen. Lerne, wie du dich ganz ohne Worte mit einem Pferd verständigen kannst.

Praxistipp: 
Sprich offen mit deinem Trainer über deine Bedürfnisse. Eine gute Reitschule muss darauf eingehen. Sage, dass du zunächst gezeigt bekommen möchtest, wie du das Pferd richtig putzt und dass du mit einer Bodenarbeitsstunde starten möchtest.

Außerdem wirst du merken, wie deine Selbstzweifel oder Ängste geringer werden und dein Selbstbewusstsein wächst. Überspringe diesen Schritt nicht, denn er ist so wichtig. Reiten lernen ist mehr als nur im Sattel sitzen. Reiten lernen heißt, eine respektvolle Beziehung zu einem Lebewesen aufzubauen – und das beginnt am Boden.

Reiten lernen erwachsene

Die erste Reitstunde: Reiten lernen als Erwachsener in der Praxis

Für Erwachsene ist die erste Reitstunde oft eine Mischung aus Aufregung, Freude und Unsicherheit. Da in Reitschulen in der Regel verschiedene Lehrpferde zum Einsatz kommen, bitte deinen Trainer, dass du das Pferd aus der Bodenarbeitsstunde reiten möchtest. Denn zu diesem Pferd hast du bereits ein erstes Vertrauen aufgebaut und das hilft anfangs ungemein. Falls es nicht möglich ist, dieses Pferd zu bekommen, dann bitte deinen Trainer erneut erstmal mit ein paar Übungen am Boden zu starten.

Dann wird der Moment kommen und du nimmst auf dem Pferderücken Platz. Denk immer daran, dass keiner von dir erwartet, alles richtigzumachen. Am Anfang geht es ausschließlich darum, ein Gefühl für die Bewegungen des Pferdes zu bekommen und im Gleichgewicht zu sitzen. Ich bin auch ein großer Freund davon, erwachsene Reitanfänger nicht direkt in den Sattel zu setzen, sondern auf ein Reitpad, um die Bewegungen bewusster wahrzunehmen.

Deine ersten Reitstunden werden in der Regel an der Longe stattfinden. Dadurch hast du die Möglichkeit, dich vollkommen auf dich zu konzentrieren. Du musst dich weder darum kümmern, wo das Pferd hingehen soll, noch um das Tempo. Konzentriere dich auf deinen Sitz, denn dieser ist das Allerwichtigste beim Reiten lernen. Du musst im Gleichgewicht sitzen und der Bewegung des Pferdes folgen.

Praxistipp: 
Als Reitanfänger wirst du dazu neigen, dich mit den Beinen am Pferd festklemmen zu wollen, ähnlich wie eine Wäscheklammer. Stell dir einmal vor, jemand sitzt auf deinem Rücken und macht das bei dir. Was würdest du denken? Autsch – genau. Deswegen darfst du deine Beine anfangs locker herunterbaumeln lassen, fühlen und vor allem atmen. Um die positive Körperspannung kümmern wir uns später.

Typische Fehler und warum du sie machen darfst

Erwachsene haben immer das Bedürfnis, alles richtig machen zu wollen und zerdenken Dinge oft. Kinder hingegen sind meistens kleine Macher und lernen durch Ausprobieren. Dabei passieren Fehler und das ist völlig in Ordnung. Du darfst ebenfalls Ausprobieren und Fehler machen. Anschließend überlegst du dir, was du aus deinen Fehlern lernen kannst und so werden deine Fehler zu Fortschritten.

Viele Erwachsene neigen dazu, jede Bewegung zu analysieren und wollen am liebsten alles von Anfang an richtig machen. Doch Reiten ist kein Auswendiglernen. Reiten lernen bedeutet Fühlen lernen. Wenn du anfängst, auf dem Pferderücken alles zu zerdenken, dann wirst du zwangsläufig verkrampfen. Ein losgelassener und ausbalancierter Reitersitz ist dann nicht mehr möglich. Und natürlich darf das passieren. Reiten lernen ist ein Prozess, und du darfst fühlen, wie sich das Pferd anfühlt, wenn du verkrampfst. Genauso wie du fühlen wirst, wie sich das Pferd bewegt, wenn du mit der Bewegung mitgehst.

Spätestens wenn der große Schritt von der Longe zum freien Reiten erfolgt, wirst du merken, wie viel Koordination du eigentlich benötigst: Aufrecht sitzen, mit der Bewegung mitgehen, die Hände ruhig halten, deine Beine sollen anliegen, ohne zu klemmen. Du fühlst dich wie ein Körperklaus und fragst dich, ob du untalentiert bist? Ich sage dir, nein, bist du nicht. Du musst erstmal lernen, dich neu zu koordinieren, und das braucht Zeit.

Zu guter Letzt vergleichen sich Reiter gerne mit anderen Reitern. An sich finde ich es nicht verkehrt, bei anderen Reitern zuzuschauen, denn dabei kannst du einiges lernen. Dieses Prinzip des Zuschauens und Lernens handhabe ich übrigens schon in meinen Kinderreitstunden. Du darfst allerdings nie vergessen, dass jeder Reiter seinen eigenen individuellen Weg beschreitet, jeder anderes lernt und andere Voraussetzungen mit sich bringt.

Fazit: Reiten lernen als Erwachsener – entspannt, mutig und mit Herz

Reiten lernen als Erwachsener ist oft mehr als nur ein Hobby. Für viele ist es die Verwirklichung eines lange gehegten Traums. Vielleicht war es ein Wunsch aus Kindertagen, vielleicht ist es ein spätes Interesse an Pferden oder vielleicht einfach das Bedürfnis nach Natur und innerer Ruhe.

Egal, was dich antreibt: Es ist nie zu spät, mit dem Reiten zu beginnen. Du brauchst keine besonderen Voraussetzungen, aber Geduld, Offenheit und den Mut, dich auf etwas Neues einzulassen.

Als Erwachsener bringst du viele wertvolle Eigenschaften wie beispielsweise Lebenserfahrung und Verantwortungsbewusstsein mit. Nutze diese Eigenschaften, um deine ganz eigene Reise mit dem Pferd anzutreten.

Wenn du Fehler machst, dann ist das in Ordnung. Fehler zeigen, dass du lernst. Und genau darum geht es.

Also: Trau dich! Es gibt sowieso nicht den richtigen Zeitpunkt. Aber es gibt den Tag, an dem du startest. Und dieser Tag kann genau heute sein.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:
1. Reiten lernen als Erwachsener – der entspannte Einstieg in den Sattel
2. Sicherer Umgang mit Pferden – so wirst du zum Pferdemensch
3. Angstfrei reiten: So gewinnst du Vertrauen zu dir und deinem Pferd
4. Reitlehre einfach erklärt – die wichtigsten Grundlagen für Freizeitreiter
5. Der richtige Sitz beim Reiten – Balance statt Kraft (folgt)
6. Hilfengebung verstehen – mit dem Pferd sprechen lernen (folgt)
7. Schritt, Trab, Galopp – die Gangarten im Überblick (folgt)
8. Pferdefreundlich reiten – geht das überhaupt als Anfänger? (folgt)
9. Mit Struktur zum Ziel – der rote Faden in der Reitausbildung (folgt)
10. Beziehung statt Dominanz – wie echte Verbindung entsteht (folgt)

Haben es Reiterinnen bei der Geburt wirklich schwerer als andere Frauen?

Haben es Reiterinnen bei der Geburt wirklich schwerer als andere Frauen?

Im Januar 2022 ist es Springreiterin Janne-Friederike Meyer-Zimmermann die glücklich in die Kamera strahlt. Im August 2022 Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl. Beide sind Mama geworden. Janne zum ersten Mal, bei Jessi ist es bereits das zweite Kind. Wenn man die glücklichen Gesichter beider Reiterinnen sieht, dann fällt es schwer zu glauben, dass es Reiterinnen bei einer Geburt so viel schwerer haben sollen. Stimmt es nun oder nicht? Haben Reiterinnen es bei der Geburt wirklich schwerer als andere Frauen?

Was genau ist der Beckenboden?

Um die gerade gestellten Fragen zu beantworten, müssen wir zunächst über den Beckenboden sprechen. Über diesen ominösen Beckenboden wirst du erst so richtig viel hören und lesen, wenn du ein Baby planst, schwanger bist oder warst. Gefühlt dreht sich auf einmal sehr viel in deinem Leben um die kleine Muskelmatte mit dem Namen Beckenboden.

Wie der Name schon sagt geht es um eine bestimmte Gruppe Muskeln, die sich in deinem Becken befinden. Sie erstrecken sich vom Schambeinknochen, über beide Sitzbeinhöcker bis hin zum Kreuz- und Steißbein. Der Beckenboden ist dafür zuständig den Bauchraum inklusive aller dort liegenden Organe nach unten hin abzuschließen.

Während einer Schwangerschaft wird diese Muskelmatte stark in Anspruch genommen. Stell dir einmal vor Gebärmutter samt Baby und Fruchtwasser drücken über viele Wochen auf den Beckenboden. Da hängt die Matte am Ende ganz schön durch. Drückt sich dann noch bei der Geburt dein Baby durch den Beckenboden, dann ist dieser ganz schön in Mitleidenschaft gezogen. Nein, der Beckenboden hat dann kein Loch, aber damit er wieder stabil und belastbar wird, brauchst du Geduld und gezieltes Training. Und zwar Beckenbodentraining.

Geburt Reiterin

Ist Reiten nun gut oder schlecht für den Beckenboden?

Wenn du im Sattel sitzt, dann kommunizierst du über Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen mit deinem Pferd. Diese Hilfen kannst du nur aus einem korrekten Reitersitz heraus geben. Das Becken und die umgebenden Muskeln sind für deinen Reitersitz so wichtig, dass das Ganze Konstrukt sogar einen eigenen Namen bekommen hat: Die Mittelpositur.

Durch das An- und Abspannen der Muskulatur der Mittelpositur bist du in der Lage den Bewegungen deines Pferdes zu folgen. Mitzuschwingen. Folglich gehört der Beckenboden mit zur Mittelpositur. Beim Reiten ähnelt dein Beckenboden keiner Hängematte. Durch den aufrechten und stabilen Sitz in positiver Körperspannung ist er eher vergleichbar mit einem Trampolin. Dieses Trampolin fängt nun, zusammen mit anderen umgebenden Muskeln, die Schwingungen des Pferderückens und die Impulse der Pferdebewegungen ab.

Durch Reiten wird der Beckenboden also ganz klar trainiert. Ordentliches Schrittreiten ist nach der Geburt ein gutes Training für deinen Beckenboden. In Maßen und langsam gesteigert!

Pilotstudien, die Mediziner von der Fresenius-Hochschule Köln durchführten, zeigen, dass insbesondere Reiten als gesunde Sportart für den Beckenboden empfohlen werden kann. Beim Trab und Galopp erreicht der Reiter eine besondere Aktivität in diesem speziellen Muskelbereich.

Geburt Reiterin

Wie viel Reiten ist gut für den Beckenboden?

Wie bereits erklärt, handelt es sich beim Beckenboden um eine Muskelmatte. Diese Muskeln werden beim Reiten trainiert. Folglich ist es dann so, je mehr du reitest umso trainierter wird dein Beckenboden. Wenn du nun täglich mehrere Stunden im Sattel sitzt, dann wird dein Beckenboden sich irgendwann verspannen und du hast Probleme lockerzulassen.

Seien wir aber ehrlich. Einen zu trainierten und verspannten Beckenboden finden wir in der Regel nur bei Berufsreitern. Dennoch gibt es viele Freizeitreiter, die sich im Rahmen einer Schwangerschaft fragen, ob ihr Beckenboden entspannt genug für eine Geburt ist. Die gute Nachricht, auch für Berufsreiter: Du kannst lernen deinen Beckenboden bewusst anzuspannen und dann auch wieder zu entspannen.

Wenn du dich auf die Geburt vorbereiten willst, dann ist ein gezieltes Beckenbodentraining durchaus sinnvoll.

Sorgt ein starker Beckenboden für eine schwierigere Geburt?

An der Sporthochschule in Oslo wurde 2013 untersucht, ob ein zu trainierter Beckenboden die Geburt aufhalte und schlussendlich zu instrumentellen Beendigung, d.h. Saugglocke, Zange oder Kaiserschnitt, führt. Dazu wurden an einer Gruppe von Frauen, die im 5. oder 6. Monat schwanger waren, verschiedene Messungen am Beckenboden vorgenommen. Diese Messungen wurden später mit den Geburtsverläufen gegenübergestellt. Das Ergebnis war eindeutig: „Ein starker Beckenboden stellt kein Geburtshindernis dar.“ (Bø, 2013)

Aus der Türkei gibt es eine kleinere Studie mit Hinweisen darauf, dass ein starker Beckenboden die Wehentätigkeit hemmt und es als Folge zu einem Geburtsstillstand kommen kann. Folglich kommt es häufiger zu einem Kaiserschnitt. Bei den Ergebnissen dieser Studie musst du allerdings im Hinterkopf behalten, dass in der Türkei statistisch gesehen bei jeder zweiten Frau ein Kaiserschnitt durchgeführt wird.

Es gibt demnach keine Studien oder andere Hinweise, die belegen, dass Reiterinnen öfter per Kaiserschnitt gebären oder die Geburten überdurchschnittlich lange dauern.

Fazit: Reiterinnen haben es nicht schwerer

Was auch nicht vergessen werden sollte, ist das persönliche Schmerzempfinden. Es gibt Frauen, die kommen gut und ohne jegliche Hilfsmittel durch die Geburt, andere benötigen eine PDA oder ähnliches.

Ich persönlich bin der Meinung, dass wir Reiterinnen, Berufsreiter mal außen vor gelassen, es bei der Geburt sogar einfacher haben. Warum? Wir haben einen guten, aber nicht übermäßig, trainierten Beckenboden und wir haben eine allgemein gute Fitness. Sportliche Frauen empfinden den Wehenschmerz als weniger stark, erholen sich schneller im Wochenbett und leiden deutlich seltener an Wochenbettdepressionen. Na, das klingt doch gut für uns Reiterinnen!

Dieser Beitrag ist Teil einer ganzen Artikel Serie:
1. Next Generation im Anmarsch
2. Ein Erfahrungsbericht: Reiten in der Schwangerschaft – Das erste Trimester (1. bis 13. SSW)
3. Ein Erfahrungsbericht: Reiten in der Schwangerschaft – Das zweite Trimester (14. bis 27. SSW)
4. Ein Erfahrungsbericht: Reiten in der Schwangerschaft – Das dritte Trimester (28. bis 40. SSW)
5. 7 Tipps für das Reiten in der Schwangerschaft
6. Nach der Geburt zurück in den Sattel: 10 Übungen, die dich wieder fit machen
7. Haben es Reiterinnen bei der Geburt wirklich schwerer als andere Frauen?

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Wenn das Pferdemädchen schwanger ist, dann raucht der Kopf. Denn uns Pferdemädchen beschäftigen andere Fragen. Wie lange kann ich noch reiten? Wie trainiere ich mein Pferd wieder an? Wann darf ich nach der Geburt wieder reiten? Wer kümmert sich rund um die Geburt um mein Pferd? Welcher Kinderwagen ist stalltauglich? Wie manage ich Baby und Pferd?

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Nach der Geburt zurück in den Sattel: 10 Übungen, die dich wieder fit machen

Nach der Geburt zurück in den Sattel: 10 Übungen, die dich wieder fit machen

Noch etwas in eigener Sache: Die folgenden Blogbeiträge über das Reiten in der Schwangerschaft und die Zeit danach mit Baby, sind meine ganz persönlichen Erfahrungen und keine allgemeingültigen Empfehlungen. Ich will mit meinen Beiträgen weder zum Reiten in der Schwangerschaft animieren noch davon abraten. Man muss immer bedenken, dass jede Schwangerschaft anders verläuft, dass jede Frau und auch jedes Pferd anders sind. Schlussendlich muss jede Frau selbst entscheiden, was gut für sie ist und was nicht.

Nach der Schwangerschaft ist wie vor der Schwangerschaft. So fühlte ich mich und so sah es auch die Waage. Ich war gerade mal fünf Kilo leichter und passte in keine normale Hose. Zähneknirschend griff ich wieder zur Umstandshose und fragte mich ernsthaft wie ich die 15 Kilo jemals wieder loswerden sollte.

Die schlauen Weisheiten anderer

„Es kommt 9 Monate und es geht 9 Monate“ oder „durch das Stillen gehen die Kilos automatisch“. Ich stillte mein Baby und es tat sich in den ersten Wochen exakt nichts. Bewundernd blickte ich auf andere Mütter, die zwei, drei Wochen nach der Geburt schon fast wieder aussahen wie vorher.

Geduld ist nicht unbedingt meine Stärke. Ich wollte wieder reiten und zwar schnell. Auf der anderen Seite war mir sehr wohl bewusst, dass ich neun Monate schwanger war und auf natürliche Art und Weise ein Kind auf die Welt gebracht hatte. Mein Körper hatte einiges geleistet und das sah man ihm auch an.

Nach der Geburt ins Wochenbett? Ohne mich!

Wochenbett heißt das Wort, was mir noch während der Schwangerschaft immer wieder an den Kopf geworfen wurde. Bereits vor der Geburt hatte ich mich gefragt, ob ich wirklich im Bett liegen soll? Und wieso eigentlich? Ich bin doch nicht krank.

Auch wenn meine Tochter nicht wie geplant im Krankenhaus geboren wurde, sondern im heimischen Schlafzimmer, so hatte ich doch eine normale, komplikationsfreie Geburt gehabt. Das ist natürlich von Geburt zu Geburt immer unterschiedlich und jede Frau fühlt sich danach auch anders! Ich hatte zwar auch ein paar Wehwehchen, aber grundsätzlich fühlte ich mich gut und für mich gab es keinen Grund, Zeit im Bett zu verbringen.

Im Gegenteil! Am dritten Tag nach der Geburt überzeugte ich Björn einen Ausflug in den Stall zu machen. Im Stall war gerade Springstunde und meine Reitbeteiligung ritt mit Keks mit. Auch wenn es nur vier Tage waren, die ich nicht im Stall war, ich war überglücklich. Meine kleine Janne hat ihren ersten Stallbesuch übrigens komplett verschlafen und sich auch nicht stören lassen, als Keks in den Kinderwagen geguckt hat.

Schrittreiten für einen starken Beckenboden

Der Besuch im Stall war einfach wunderbar und nun hatte ich natürlich noch mehr das Ziel vor Augen, schnell wieder fit zu werden und in den Sattel zu kommen. Aber auch mir war mittlerweile bewusst, dass alles seine Zeit braucht. Hebammen und Ärzte empfehlen nach einer normalen Geburt sechs bis acht Wochen mit dem reiten zu warten. Bei einem Kaiserschnitt dauert es noch länger.

Außerdem wird ebenfalls sechs bis acht Wochen nach der Geburt die Teilnahme an einem Rückbildungskurs empfohlen. Den zahlt übrigens die Krankenkasse, aber je nachdem wo du wohnst, sind die Plätze rar und schnell ausgebucht. Ich hatte mich natürlich nicht rechtzeitig um einen Kursplatz gekümmert und erst Monate nach der Geburt damit zu starten, hielt ich persönlich für nicht notwendig.

So gerne ich wieder reiten wollte, so bewusst war mir aber auch, dass sich die Muskulatur erst einmal wieder entwickeln musste. Nach einer Geburt ist der Beckenboden erschlafft und muss trainiert werden. Eine zu starke Belastung unmittelbar nach der Geburt kann im Alter zur Inkontinenz führen und das wollte ich natürlich nicht. Daher kommt auch die Empfehlung erst sechs bis acht Wochen nach der Geburt wieder mit dem Reiten zu beginnen. Allerdings spricht, vorausgesetzt du fühlst dich gut, nichts gegen das Schrittreiten. Denn das Schrittreiten trainiert den Beckenboden und ist deswegen sogar förderlich.

Etwa eine Woche nach der Geburt begann ich zu Hause ein paar Übungen zu machen, die mich wieder in Form bringen sollten. Zehn Tage nach der Geburt fühlte ich mich fit genug und ich stieg wieder in den Sattel. Auch wenn es schwerfiel, ich habe mich darangehalten und bin die ersten sechs Wochen nach der Geburt nur Schritt geritten. Das war allerdings nicht weiter schlimm, denn der Schritt wird bekanntermaßen ja oft vernachlässigt und ist außerdem perfekt zum Konditionsaufbau.

Zum Weiterlesen:
So erkennst du, ob du einen guten Schritt reitest

10 Übungen für zu Hause, die dich nach der Geburt wieder fit machen

Wie bereits erwähnt, startete ich etwa eine Woche nach der Geburt mit ein paar Übungen zu Hause um wieder fit zu werden. Ich absolvierte meine Übungen 4-5 mal pro Woche und parallel dazu ritt ich 2-3 mal pro Woche für 30-60 Minuten Schritt.
Starte mit den Übungen erst, wenn du dich wirklich gut fühlst und hör sofort auf, wenn du Schmerzen hast. Wenn du dir unsicher bist, dann sprich mit deiner Frauenärztin oder Hebamme.

Übung 1: Aufwärmen

  • Gehe auf der Stelle und nimm deine Arme mit
  • Dauer: 1 min
  • Öffne deine Beine und gehe wieder auf der Stelle
  • Dauer: 1 min
  • Gehe auf der Stelle und führe Knie und Ellbogen zueinander
  • Dauer: 1 min
nach der Geburt zurück in den Sattel
nach der Geburt zurück in den Sattel
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Übung 2: Für ein bewegliches Becken

  • Lege dich auf den Rücken
  • Hebe die Beine an und fahre Fahrrad in der Luft
  • Dauer: 1 min
nach der Geburt zurück in den Sattel

Übung 3: Kräftigung der Gesäßmuskulatur

  • Lege dich auf den Rücken
  • Spann deine Bauchmuskulatur an
  • Hebe dein Gesäß langsam von Boden ab und senke es wieder
  • Wiederholungen: 5x
nach der Geburt zurück in den Sattel

Übung 4: Kräftigung der Bauch- und Gesäßmuskulatur

  • Lege dich auf den Rücken
  • Lass ein Bein aufgestellt und streck das andere Bein aus
  • Hebe das Bein vom Boden ab und strecke es nach langsam nach oben
  • Senk das Bein langsam wieder ab, aber leg es nicht auf dem Boden ab
  • Wiederholungen: 5x pro Bein

Übung 5: Kräftigung der Beinmuskulatur

  • Lege dich auf die Seite
  • Hebe und senke das obere Bein langsam
  • Wiederholungen: 5x pro Bein

Übung 6: Kräftigung der inneren Oberschenkelmuskulatur

  • Lege dich auf die Seite
  • Winkel das obere Bein an und stelle es auf
  • Hebe und senke das unter Bein langsam
  • Wiederholungen: 5x pro Bein

Übung 7: Kräftigung der Rückenmuskulatur

  • Lege dich auf den Bauch
  • Strecke deine Arme und Beine aus
  • Hebe deine Arme und Beine ein paar Zentimeter vom Boden ab
  • Senke deine Arme und Beine wieder, aber lege sie nicht ganz auf dem Boden ab
  • Wiederholungen: 5x

Übung 8: Stärkung des Gleichgewichts

  • Stell dich hin und strecke deine Arme nach links und rechts aus
  • Hebe abwechselnd das rechte und linke Bein an
  • Wiederholungen: 5x

Übung 9: Dehnen der Beinmuskulatur

  • Stell dich mit geöffneten Beinen hin
  • Führe deine Hände langsam zu deinem rechten Fuß, in die Mitte und zum linken Fuß
  • Beine bleiben dabei gestreckt
  • Wiederholungen: 5x

Übung 10: Dehnen der Körperseiten

  • Öffne die Beine und strecke deine Arme nach oben
  • Dehne abwechselnd deine rechte und linke Körperseite
  • Wiederholungen: 5x pro Seite

Hör auf deinen Körper und überstürze nichts

Nach sechs Wochen Schrittreiten, nahm ich den Trab hinzu und kurze Zeit später auch den ersten Galopp. Mein Sitz war natürlich lange noch nicht gefestigt und an Aussitzen überhaupt nicht zu denken. Die Muskulatur musste erst wiederaufgebaut werden und das braucht Zeit, wobei mir meine Übungen aber geholfen haben. Bis ich mein Pferd wieder richtig dressurmäßig auf unserem Niveau arbeiten konnte, vergingen gute vier Monate.

Das klingt für dich jetzt wahrscheinlich sehr lange, insbesondere wenn du gerade dein Kind bekommen hast und es kaum erwarten kannst wieder in den Sattel zu steigen. Aber glaub mir, die Zeit vergeht wie im Fluge und ganz ehrlich, du warst jetzt schon neun Monate schwanger, da kommt es auf die Zeit nach der Geburt nun auch nicht mehr an. Mein Rat an dich: Hör auf deinen Körper und überstürze nichts. Reite nur so lange du dich gut fühlst und die ersten Wochen nach der Geburt am besten nur Schritt.

Dieser Beitrag ist Teil einer ganzen Artikel Serie:
1. Next Generation im Anmarsch
2. Ein Erfahrungsbericht: Reiten in der Schwangerschaft – Das erste Trimester (1. bis 13. SSW)
3. Ein Erfahrungsbericht: Reiten in der Schwangerschaft – Das zweite Trimester (14. bis 27. SSW)
4. Ein Erfahrungsbericht: Reiten in der Schwangerschaft – Das dritte Trimester (28. bis 40. SSW)
5. 7 Tipps für das Reiten in der Schwangerschaft
6. Nach der Geburt zurück in den Sattel: 10 Übungen, die dich wieder fit machen
7. Haben es Reiterinnen bei der Geburt wirklich schwerer als andere Frauen?

Du willst mehr Wissen rund um Schwangerschaft & Geburt:

Dann komm in meinen Kurs „Pferd und Schwangerschaft – Das wird fabelhaft!“

Wenn das Pferdemädchen schwanger ist, dann raucht der Kopf. Denn uns Pferdemädchen beschäftigen andere Fragen. Wie lange kann ich noch reiten? Wie trainiere ich mein Pferd wieder an? Wann darf ich nach der Geburt wieder reiten? Wer kümmert sich rund um die Geburt um mein Pferd? Welcher Kinderwagen ist stalltauglich? Wie manage ich Baby und Pferd?

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